Nicht nur sauber, sondern rein

■ Ein neues Bleichverfahren soll minderwertiges Altpapier in hochwertiges Druckpapier verwandeln

Jedesmal, wenn Berufsfotograf Henning S. wieder einen Strafzettel hinterm Scheibenwischer klemmen hat, wird Papier verbraucht. Einen Durchschlag für den Parksünder, das Original zu den Akten. Dann wird angeschrieben, verwaltet und eventuell gemahnt. Fazit: Falschparker sind nicht nur Verkehrs-, sondern - um die Ecke gedacht - auch Umweltsünder.

Allein die Hamburger Behörden verbrauchen etliche Millionen Blatt Papier. Laut einer Kleinen Anfrage, die die GAL-Fraktion kürzlich stellte, waren es im vergangenen Jahr unter anderem 165 Millionen Blatt Kopierpapier im Format DIN A4, 29,5 Millionen Blatt kariertes Schreibpapier undsoweiter undsoweiter. Ob Recycling- oder sogenanntes Primärfaserpapier (also neues Papier) benutzt wird, wissen die Behörden-Verantwortlichen allerdings selbst nicht so genau.

Daß wiederverwertetes Papier häufig eine untergeordnete Rolle spielt, hat viele Gründe. Manchen ist es immer noch zu grau, beim Kopieren reiche die Qualität nicht aus, Laserdrucker sollen durch die Verwendung von Recyclingpapier angeblich sogar verschmutzen. Doch selbst wenn „Aus-alt-mach-neu-Produkte“ genommen werden, heißt das noch lange nicht, daß diese ganz ohne Neu-Holz auskommen: Bei Schreib- und Druckpapier zum Beispiel liegt der Altpapieranteil nämlich gerade mal bei 20 Prozent.

Das Problem liegt – besonders bei dem aus den Haushalten gesammelten Papier – in der unterschiedlichen Qualität. Da werden Hochglanzzeitschriften zusammen mit Kreppapier, Pappkartons und Zeitungen in einen Container geworfen. Das ganze Gemisch taugt, wenn es nicht mühsam von Hand sortiert wird, allenfalls für Verpackungspapiere und Kartons. Deren Altpapieranteil liegt aber sowieso schon bei über 90 Prozent.

Im Ordinariat für Holztechnologie der Universität Hamburg konnten Professor Rudolf Patt und seine MitarbeiterInnen nun ein Bleichverfahren entwickeln, das auch aus minderwertigem Altpapier hochwertiges Schreib- und Druckpapier macht. Dabei ersetzten sie einen Teil des sonst zur Bleichung verwendeten Peroxids durch simplen und wesentlich preisgünstigeren Sauerstoff. Mit dem - doppelten - Ergebnis, daß sich die Bleichwirkung erhöhte und die Kosten reduzierten. Zudem setzten sie noch ein bis zwei weitere Bleichstufen drauf, wodurch auch sehr schlechte Altpapierqualitäten es am Ende auf einen hohen Weißheitsgrad bringen. „Es handelt sich dabei aber um eine ganz, ganz neue Entwicklung, die sich noch in der Laborphase befindet“, schränkt Professor Patt ein. Zu kaufen gibt es nach diesem Verfahren hergestelltes Papier noch nicht. Man stehe jedoch in Verhandlung mit einigen Geschäftsleuten.

Für den Uni-Professor ist die bisherige Papierfaserherstellung mehr als rückständig: „Die Bleiche ist heute sehr simpel. Da werden ein paar Chemikalien zugesetzt, und dann geht das schon irgendwie.“ Trotzdem müsse man sich darüber im klaren sein, daß auch bei dem von ihm entwickelten Verfahren noch Chemikalien eingesetzt werden müssen. Und: „Hohe Recyclingraten sind nur durch hohe Importraten von Primärfasern möglich.“ Was heißt: Ohne neues Holz läuft bei Altpapier nichts. Papiersparen heißt also immer noch die Devise, und das fängt schon beim Falschparken an.

Andrew Ruch