Rummel um Mini-Satelliten

■ Brem-Sat gestern mit der Raumfähre Discovery in den Orbit gestartet / Das „kleine Kraftpaket“ soll im All 300 Kilometer über der Erde Staubpartikel messen

Beim erfolgreichen Start der Raumfähre Discovery knallten am Fallturm in Bremen die Sektkorken: Mit an Bord war diesmal der 63 Kilo schwere Kleinsatellit Brem- Sat, entwickelt und gebaut unter der Federführung des Bremer Hochschulinstitutes ZARM.

Kameraleute von Vox bis Radio Bremen benutzten ihre Objektive und Ellenbogen als Waffen, um einen Platz in der ersten Reihe zu erobern. Wie Raubritter, unterstützt von Knappen in Form grimmig fluchender Toningenieure, drängten sie sich im entscheidenden Moment des Starts um Projektleiter Hans Königsmann. Doch vergeblich, keine medienwirksame Freudenträne, keine trotzig nach oben gerichtete Faust: Nur durch ein leichtes Zittern in den Händen war dem Bremer Wissenschaftler seine Aufregung und Erleichterung anzumerken. „Jetzt haben wir ihn oben, das war perfekt.“ Sein Anruf beim Kollegen Holger Oelze, der in Cape Canaveral den Start mitverfolgt hatte, klappte zwar nicht, aber die Live-Übertragung von CNN war Beweis genug, daß Bremen jetzt zu „den wenigen Universitäten der Welt gehört, die eigene Satelliten im All haben“.

Sekt und Rotwein, Schnittchen mit Schinken, Käse oder Mett: Jens Immenohr, eigentlich studentische Hilfskraft am Institut, sorgte für Nachschub, um die hungrigen und durstigen Ehrengäste zufriedenzustellen. Professor Hans Rath erklärte das bunte Treiben zur „Workshopatmosphäre“, den Mini Satellit bezeichnete er als „unser kleines Kraftpaket 350 Kilometer über dem Globus“.

Die Kleiderordnung orientierte sich an Anzug und Krawatte, die Hintergrundmusik von der CD irritierte dagegen einige Honoratioren und Firmenvertreter: Iggy Pop sang von einem „Rebel without a cause“. Auch zwei Schüler feierten mit: Volker Pokony und Jonas Gloger aus der neunten Klasse des Alten Gymnasiums waren mit den Leuten aus der Elektronikwerkstatt des Instituts „einfach vorbeigekommen.“ Sie machen dort ihr Betriebspraktikum, sind von dem „großen Rummel“ erschreckt und begeistert zugleich. Die Angestellten der Werkstatt hatte zwar niemand eingeladen, aber verboten wurde ihnen das Erscheinen dann doch nicht.

Eigentlich sollte der nur rund 50 Zentimeter hohe Minisatellit schon letztes Jahr im Februar gestartet werden. Das Projekt war als Ergänzung zur D2 Mission geplant. Doch Pannen bei der NASA verhinderten damals den Start. „Zum Glück, sonst wäre dieses relativ kleine Experiment damals im Medienrummel untergegangen“, meint ein Student, der an der Entwicklung beteiligt war. Der kleine Satellit soll die Staubpartikel 300 Kilometer über der Erde messen, die Wärmeleitfähigkeit von Flüssigkeiten testen und sein eigenes Verglühen in der Erdatmosphäre möglichst lange exakt protokollieren. Fast 10 Millionen Mark haben Bau und Entwicklung von Brem-Sat gekostet, etwa eine halbe Million Mark hat die Universität Bremen bezahlt, der Rest kam vom Bonner Forschungsministerium.

„Es gibt soviele Probleme auf der Erde, deshalb müssen wir in den Weltraum“, sagte Jürgen Timm, Rektor der Bremer Universität. Im Weltraum wolle man nicht vor den Problemen fliehen, aber die Umweltprobleme könne man „durch Informationen über die Erde von außen“ besser lösen. Hier könne sich Bremen profilieren.

Konrad Baer