Streit um „Berufsverbot“ für Staatsrat

■ Koalitionskrach um Gewoba-Chefwahl / SPD will nun kein geheimes Mißtrauensvotum mehr

Der Krach in der Ampelkoalition spitzt sich weiter zu. Nachdem am Mittwoch die Grünen ihren Partnern FDP und SPD einen Bruch der Koalitionsvertrages vorgeworfen hatten, weil sie die vereinbarte Verkehrsberuhigung der Martinistraße boykottierten, ging gestern die SPD in die Offensive.

Als „unfaßbares Vorgehen“ bezeichnete die SPD-Landesvorsitzende Tine Wischer den Beschluß des FDP-Landesvorstandes, eine Bewerbung des Staatsrates im Bauressort, Jürgen Lüthge, für den Posten des Gewoba-Geschäftsführers von vornherein auszuschließen. Wischer: „Es geht überhaupt nicht an, daß hier ein Berufsverbot für Sozialdemokraten nahegelegt wird.“

Ihre Erklärung würzte die SPD- Chefin mit der Ankündigung, daß sie am kommenden Mittwoch doch nicht – wie bereits gegenüber dem Bürgerschaftspräsidenten angekündigt – in geheimer Abstimmung über den CDU-Mißtrauensantrag gegen Bausenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte abstimmen lassen werde. „Die Frage hat eine neue Qualität bekommen“, so Wischer, „wir brauchen jetzt ein klares, offenes Bekenntnis zur Koalition.“ Gemeint sei damit die offene Abstimmung über den Mißtrauensantrag gegen Lemke-Schulte.

Auch SPD-Fraktionschef Claus Dittbrenner sah in der FDP-Erklärung gegen Staatsrat Lüthge eine „Zuspitzung der Situation“. Der Ausdruck „Berufsverbot“ sei dafür noch harmlos. Dittbrenner: „Hier sollen elementare Grundrechte außer Kraft gesetzt werden.“ Mit der endgültigen Entscheidung der Frage, ob über das Mißtrauensvotum offen oder geheim abgestimmt wird, will Dittbrenner aber noch bis zum Montag warten: „Ich will die Situation nicht dramatisieren, aber wir brauchen bis dahin eine klare Erklärung der FDP, wie sie sich in der Abstimmung verhalten wird.“

Diese Erklärung versprach FDP- Fraktionschef Heinrich Welke gestern für Montag abend: „Dann werden wir in der Fraktion eine Probeabstimmung machen.“ Wenn am Sonntag im Koalitionsausschuß ein einvernehmliches Verfahren für die Bestellung des neuen Gewoba- Geschäftsführers gefunden werde, dann „wären die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Mißtrauensvotums gegeben“.

Von der harten Formulierung des FPD-Landesvorstandes gegen eine Wiederbewerbung von Staatsrat Lüthge auf die Gewoba-Chefposition distanzierten sich gestern sowohl der Landesvorsitzende Manfred Richter (vgl. Interview), als auch Fraktionschef Welke und Wirtschaftssenator Claus Jäger. Alle drei waren bei der Sitzung nicht anwesend. Richters Stellvertreter Axel Adamietz verteidigte den Beschluß allerdings noch einmal. Von einem „Berufsverbot“ für Lüthge zu sprechen, sei „absurd“. Adamietz: „Aber möglicherweise stehen solche Stellen wie bei der Gewoba für Politiker nicht zur Verfügung.“

Als „frei erfunden“ wies Wirtschaftssenator Jäger gestern die Meldung des Weserkurier zurück, er habe mit dem Koalitionsausstieg der FDP für den Fall gedroht, daß Lüthge doch noch Gewoba-Chef wird. Jäger: „Dieses Mittel haben wir überhaupt nicht nötig, da wir ja über die Gewoba-Berufung im Senat entscheiden werden, und dort haben wir das Veto-Recht.“ Staatsrat Lüthge täte „sich und der Koalition“ aber „einen Gefallen, wenn er sich jetzt nicht wieder bewerben würde“.

Die Grünen hatten bereits am Montag eine Testabstimmung über den Mißtrauensantrag gegen die Bausenatorin durchgeführt. Dabei hatte sich nur der Abgeordnete Walter Ruffler der Stimme enthalten, alle anderen Fraktionsmitglieder stimmten für Lemke-Schulte.

Ase