Durchs Dröhnland: HipHop für alle
■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Dieses ganze Crossovern hat ja nicht nur den Nachteil, daß die schlichte Beschreibung mancher Musik in die Aufzählung jeder greifbaren Schublade ausufert, sondern auch, daß die Aufzählung dieser Schubladen allein dann meistens wenig bis gar nichts darüber verrät, was die jeweilige Band denn nun wirklich so spielt. Was zum Beispiel die letzte LP von Michele Baresi angeht, kann man in nur einer einzigen Kurzkritik folgende Labels finden: „Salsa“, „Ska“, „Funk“, „Pop“, „Latin Reggae“, „Wessi-Wirtschaftswunder-Sound“, „Karibik“, „Berliner Kiez“, „Partymusik“ und „Funband“. Ich persönlich finde ja, daß der Sänger klingt wie Herwig Mitteregger zu Spliff-Zeiten. Und daß die acht Baresis auf Platte recht blutleer klingen, vor allem die sonst so zackigen Bläser, obwohl sie extra nach Engelland gejettet waren, um sich dort von Martin Rushent produzieren zu lassen. Doch ihren überwältigenden Ruf haben sich die Jungs und das eine Mädel vom Plänterwald ja gerade als Live-Band erspielt. Also, wohlan!
Heute, 21 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53–56, Mitte.
Zuerst Michele Baresi und jetzt auch noch die – alles in einer Woche. Bei Zsa Zsa Buschkow könnte man dasselbe Spielchen noch mal spielen, nur daß die Richtung weg von der Party und eher hin zu einem zeitgenössischen Tröpfeln geht. Wobei man sich auch darauf nicht recht verlassen kann. Immerhin ist ein Cello fast die ganze Zeit über mehr als anwesend und stimmt die Chose dann eher besinnlich. Damit hat es sich auch schon, denn daß man so ein Ding auch artfremd an ein WahWah-Pedal anschließen kann, beweist das Berliner Quartett. Dominierend sind immerhin eine Chanson-Grundstimmung, Jazz-Gedängel und manchmal arg ambitionierte deutsche Texte, bei denen es sich reichlich um so schwere Dinge wie die Seele dreht. Da, wo der eigene Kunstanspruch übermächtig wird, geht doch allzuoft die Lust am Musizieren zugrunde.
Am 6.2., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg.
Im Vergleich dazu gerade unverschämt fröhlich geht es bei Das Holz zu, obwohl hier sogar gleich zwei Streichinstrumente zugange sind. Allerdings Geigen, und die sind nun mal wesentlich fideliger. Aber nicht nur die höhere Tonlage macht's, sondern auch die öfter schnellere Gangart, die liebevoll an längst vergangene Zeiten des westdeutschen Films zurückdenken läßt, als Fernweh und Geldbeutel der Bundesbürger noch mit Ungarn und seinen Piroschkas vorlieb nehmen mußten. Aber wie in diesen Filmen liegt auch in der Violine eine gewisse Schwermut. Die tobt das Berliner Trio auf eben jenen beiden Geigen und einem Schlagzeug instrumental aus.
Am 6.2., Live-Club, Liebigstraße 19, Friedrichshain.
Also, ich kann mir nicht helfen. Auch wenn ich jetzt einer ganzen Horde Chanson-LiebhaberInnen auf die Füße trete, demnächst Drohbriefe bekomme und meine Lebensabschnittsbegleiterin fortan kein Wort mehr mit mir wechselt: Irgendwie erinnert mich Julien Clerc, vor allem wenn er diese schmalzschmelzschmachtenden „Aaahs“ anstimmt, die immer so unglaublich lange in der Luft hängen bleiben, bis sie gar nicht mehr runterkommen wollen, an Julio Iglesias. Verzeihung.
Am 6.2., 20 Uhr, Hebbel- Theater, Stresemannstraße 29, Kreuzberg.
Cypress Hill mag einfach jeder, zumindest jeder, der prinzipiell nichts gegen HipHop hat. Das liegt zum einen daran, daß die drei aus Southgate nahezu jede denkbare ethnische Minorität ihrer Heimatstadt Los Angeles repräsentieren und trotzdem nichts mit dem ganzen Gangsta-Gehabe am Kopftuch haben. Daß sie keine dummen oder gar bösen Sachen über Frauen sagen. Daß sie sich anziehen wie Sozialhilfeempfänger aus Überzeugung und trotzdem ein hübsches, schwarzes Metal-T-Shirt zu schätzen wissen. Daß sie ohne Probleme die rüde Stumpftrunkenheit ihrer Kumpels von House of Pain im gleichen Stück unterbringen wie einen smooth dahinpluggernden Komm'-ich-heute-nicht- komm'-ich-morgen-Beat. Daß sie so geschickt ebenso B.B.King wie die Rock-Dinosaurier aus den Siebzigern wie Led Zeppelin oder Black Sabbath sampeln, daß sich der ältere Zuhörer freut, ohne zu merken, wieso, und der jüngere sich nicht mal wundert. Ihre größte Leistung bestand darin, in ihrer überzeugenden Ist-mir- doch-egal-was-die-denken-Art das vorher an sich völlig uncoole Haschisch zur Droge der Saison zu machen. Plötzlich rückte die halbe Szene in den eigenen Raps damit heraus, daß sie selbst auch schon immer mal gerne einen pafften. Nebenbei durften Cypress Hill ihre Vorstellungen über die Legalisierung schon über CNN verbreiten. Das CD-Inlet ihrer neusten Platte „Black Sunday“ stellt Informationen zu Haschisch zusammen. Wie die, daß die Entwürfe der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung auf Hanfpapier verfaßt wurden. Natürlich dürfen auch Nichtkiffer das Tanzbein schwingen, denn die körpereigenen Drogen sind meist doch die besten.
Am 9.2., 20 Uhr, Huxley's, Hasenheide 108–114, Kreuzberg.
Aus den Kinderschuhen sind Luchten doch noch endlich rausgekommen. Ehemals meinten sie in ihren Hardrock alles reinpacken zu müssen, komme, was da wolle, und trauten sich sogar mal à cappella. Doch die Berliner beschränken sich neuerdings eindeutiger auf das erfolgversprechende Funk-Metal- Crossover. Was nicht heißen soll, daß sie den Saxophonisten rausgeworfen hätten, der weiter für die Brechungen sorgen darf, die dann wohl als Eigenstil durchgehen können.
Record Release Party, am 10.2., 21 Uhr, Huxley's Junior. Thomas Winkler
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