Schnüffel-Freistaat

■ Aufrüstung der Inneren Sicherheit

Nürnberg (taz) – Mit einem vom bayerischen Ministerrat verabschiedeten „15-Punkte-Programm zur Inneren Sicherheit“ will der Freistaat seinen Ruf als „der entschiedenste Sachwalter der Inneren Sicherheit“ bekräftigen. Der Verfassungsschutz soll künftig auch im Bereich der Organisierten Kriminalität eingesetzt werden dürfen, und zwar bereits im Vorfeld, ohne daß ein konkreter Tatverdacht vorliegt. Auch der Bundesnachrichtendienst bekommt ein neues Aufgabenfeld. Er soll seine Informationen aus der Überwachung des Auslandsfernmeldeverkehrs an Strafverfolgungsbehörden weitergeben dürfen. Während die bayerische Direktionsgruppe der Gewerkschaft der Polizei den Vorstoß der Staatsregierung begrüßt, zog der ansonsten loyal zur CSU-Regierung stehende Datenschutzbeauftragte Sebastian Oberhauser die Konsequenzen. Einem „Schnüffelstaat“ wolle er nicht mehr zur Verfügung stehen. Auch empfindet er die Kriterien für den Großen Lauschangriff als „viel zu unbestimmt“.

Immer wieder in den vergangenen Wochen und Monaten hatte Bayerns Innenminister Günther Beckstein CDU und FDP zur Eile gedrängt, um weitgehende Maßnahmen im Kampf gegen die Kriminalität beschließen zu können. „Wir können es uns nicht leisten, erst ab 1995 umzusetzen, was wir heute für notwendig halten.“ Er begrüßte zwar das ausgehandelte und im Bundestag zur Verabschiedung anstehende „Verbrechensbekämpfungsgesetz“, fand darin „viele bayerische Vorschläge verwirklicht“, aber eben nicht alle. Deshalb legte er das „15-Punkte- Programm“ vor. – Neben dem „Einsatz technischer Überwachungsmittel in Verbrecherwohnungen zum Zwecke der Strafverfolgung“, dem sogenannten Großen Lauschangriff, beinhaltet der Maßnahmenkatalog den Ruf nach beschleunigten Gerichtsverfahren sowie Forderungen nach Verschärfung des Ausländergesetzes, um „kriminelle Ausländer zwingend ausweisen“ zu können, und nach Einführung einer „lebenslangen Freiheitsstrafe bei bandenmäßigem Betäubungsmittelhandel“. Eine Forderung, die die rechtsextremen „Republikaner“ schon lange im Programm haben.

Bayern will zukünftig den verdeckt arbeitenden Ermittlern „milieugerechtes Verhalten“ zur Aufklärung von Straftaten erlauben. „Ich will bissige Fahnder haben, nicht welche mit Beißkorb“, begründet Beckstein den Vorstoß, der verdeckten Fahndern die Begehung von Straftaten erlaubt, um weiterhin unerkannt im Milieu arbeiten zu können.

„Angesichts gefestigter rechtsstaatlicher Strukturen in unserem Staat“ glaubt Beckstein auch an das grundgesetzlich verankerte Trennungsgebot von Polizei und Verfassungsschutz herangehen zu können. Gemäß dem Entwurf der bayerischen Staatsregierung wird die Polizei mit nachrichtendienstlichen Mitteln für den Großen Lauschangriff ausgestattet, umgekehrt werden die Nachrichtendienste mit der polizeilichen Aufgabe der „Abwehr von Gefahren“ betraut. Bernd Siegler