Hohle Worte im Hohen Hause

■ Bundesregierung legt Gesetzentwürfe zu Wachstum und Beschäftigung vor: „Larifari“

Bonn (taz) – Larifari heißt das Programm aus dem Hause Rexrodt, lautete das bündige Urteil von Werner Schulz (Bündnis 90/ Die Grünen). Der Bundestag debattierte gestern sechs Gesetzentwürfe der Bundesregierung, mit denen das zu Jahresbeginn vorgelegte „Aktionsprogramm für mehr Wachstum und Beschäftigung“ umgesetzt werden soll. Der flink zusammengestellte 30-Punkte-Katalog, der in 1.200 Seiten Gesetzestext gefaßt wurde, sieht unter anderem die Privatisierung der Arbeitsvermittlung, die Heranziehung von Arbeitslosenhilfeempfängern zu Saisonarbeiten und die Senkung der ABM- Einkommen vor. Die Streichung des Rabattgesetzes soll „mehr Raum für unternehmerische Initiative“ schaffen.

Daß das Programm „keinen kurzfristig meßbaren Effekt auf Wachstum und Beschäftigung“ haben könne, räumte Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) ein. Doch bot die Parlamentsdebatte ihm wie den anderen Rednern der Regierungsbank wieder eine schöne Gelegenheit zur Propagierung der Hypothese, daß es nunmehr aufwärts gehe. So jedenfalls der Auftakt von Unions-Fraktionschef Wolfgang Schäuble (CDU), der ansonsten mit seiner Rede den Ton für eine Debatte des wahlkämpferischen Schlagabtauschs vorgab. Die Maßnahmen sollen vorrangig Unternehmensgründungen fördern, „Arbeitsplatzsuchende und Arbeitsplätze schneller in Verbindung bringen“ und den tertiären Sektor – also Handel, Handwerk, Dienstleistungen – stärken. Es sei wohl besser, wenn die Menschen vorübergehend saisonal oder teilzeitbeschäftigt als dauerhaft arbeitslos seien. Die Sozialdemokraten wollten statt dessen immer nur den Mangel verwalten. Der Appell an Neid und Ängstlichkeit, bescheinigte Schäuble den Zwischenrufern von den Oppositionsbänken, sei „wahrscheinlich die Grundlage von Rot-Grün“.

Für die SPD konnte sich als erster Redner Uwe Jens daran freuen, daß der Regierung der Wind ins Gesicht bläst. Den regierungsamtlichen Optimismus in Sachen Konjunkturentwicklung erklärte er zeitgemäß mit einer karnevalistischen Weisheit: „Wenn einem das Wasser bis zum Halse steht, dann darf man den Kopf nicht sinken lassen.“ Er warf der Regierung eine verfehlte Wirtschaftspolitik vor; die Arbeitslosigkeit werde weiter steigen, das Aktionsprogramm keinen Arbeitsplatz schaffen. Kurz: „Die Regierung pfeift auf dem letzten Loch.“ Otto Graf Lambsdorff (FDP) zählte hingegen Widersprüche in den sozialdemokratischen Positionen auf. Wie Schäuble zitierte er mehrfach „Herrn Scharping“. Lambsdorffs Vermutung ging in die gleiche Richtung wie die von Parteikollege Rexrodt, der die „Leistungsträger“ im Visier der SPD ausmachte.

Gregor Gysi (PDS/LL) kritisierte die vorgesehene Privatisierung der Arbeitslosenvermittlung und sah darin das immer gleiche Muster eines Zweiklassensystems. „Die Konzepte entspringen den Zeiten des Manchester-Kapitalismus.“ Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU), der trotz Ressortzuständigkeit nicht lange gefragt worden war, als das Aktionsprogramm entstand, klagte treuherzig an, daß Deutschland „ein Entwicklungsland in Sachen Teilzeit sei“, was nun geändert werden solle. Tissy Bruns