Mariengroschen und Welfentaler

■ In Wilhelmsburg wurde der bislang größte Geld-Schatz Hamburgs gefunden Von Greta Eck

Nacht. Das Gehöft im nördlichsten Teil des Königreiches Westfalen wird nur recht spärlich vom Mond beleuchtet, große Wolken ziehen schnell über das flache, karge Land. Unerwartet löst sich aus dem Schatten des Hauses eine Gestalt. Sie schleppt einen großen Holzeimer hinter sich her. Darin liegt, fein säuberlich in ein blaues und ein braunes Leinentuch eingeschlagen, wertvollstes Gut. Der Eimer wiegt fast einen Zentner – der Weg durch die Weiden ist beschwerlich. Nach einigen Meilen ist das Ziel erreicht. Die Gestalt nimmt eine Schaufel und gräbt. Eine knappe Stunde später läßt sie den Holzbottich mitsamt dem Schatz in den Boden hinab.

Rund 180 Jahre später findet der Harburger Kampfmittelräumdienst die Münzen: Größtenteils zusammengeklumpt liegen sie mit Überresten ihrer Verpackung einen Meter tief in einem Wilhelmsburger Garten. Es sind große Taler der Herzöge Rudolf und Carl-Wilhelm Ferdinand, die zwischen 1695 und 1789 geprägt wurden, welfische Münzen, deren feines Silber in Gruben im Harz gewonnen wurde, kupferne Mariengroschen aus der Zeit Georg des Dritten, dänische Acht-Schilling-Stücke von 1695, die wahrscheinlich aus dem damals dänischen Altona stammen, sowie Münzen aus dem Königreich Westfalen, das Napoleons Bruder Jérome bis 1814 besetzt hielt und das auch die Gegend von Harburg und Wilhelmsburg umschloß.

Als „größten Schatzfund auf hamburgischem Gebiet“ sieht Ralf Busch, Leiter des Harburger Helms-Museums, den hellgrün bis türkisfarben schimmernden Klumpen. Der Wert des Fundes konnte noch nicht genau bestimmt werden. Ein Jahr wird es dauern, bis alle Münzen von Dreck und Kupferoxyd befreit sind. Erst dann können alle Geldstücke eingeordnet werden.

Doch Ralf Busch ist sich sicher, daß der Besitzer oder die Besitzerin des Schatzes reich war. „Im Mittelalter war es Sitte, bei unruhigen Zeiten das Geld im Erdboden zu vergraben“, erzählt der Museumsleiter. Doch mit der „Weiterentwicklung des Bankwesens“ entstanden andere, „sicherere Orte der Verwahrung“ – was im übrigen ArchäologInnen ärgert.

Im 18. und 19. Jahrhundert war diese Art, Geld zu bunkern, schon relativ out. Ralf Busch vermutet, daß die Anfänge der Freiheitskriege die Besitzerin oder den Besitzer des Geldes veranlaßt haben, diesen altertümlichen Vorgang des Versteckens gewählt zu haben.

Weil nach hamburgischem Landesgesetz Schätze den FinderInnen und den Grund-EigentümerInnen zu gleichen Teilen gehören, mußte das Harburger Helms-Museum den Geld-Klumpen kaufen. Um den Wilhelmsburger Garten vor weiteren Grabungen Fremder zu schützen, sah Ralf Busch auf der gestrigen Pressekonferenz davon ab, die Eigentümer und den Kaufpreis zu nennen.

Finanziell unterstützt wurde das Museum beim Kauf von der Harburger Kreissparkasse: Sie spendierte 5000 Mark dazu. Deshalb darf sie einen Teil des Geldes bis Ende Februar ausstellen. In einem grell beleuchteten Glaskästchen in der Harburger Kreissparkasse im Sand ist es zu sehen. Bei schwachem Mondlicht würde es bestimmt schön schimmern.