Stillhalten als Nagelprobe

■ Oberbaudirektor im Auftrag seines Chefs: Solange an der Hafenstraße gebaut werden kann, wird nicht von Abriß geredet Von Sannah Koch

Neuanfang, Vernunft, Dialog: Schlagworte, die bei vielen Hamburgern im Zusammenhang mit der Hafenstraße Ohrensausen verursachen. Trotzdem starten einige Prominente jetzt den Versuch, diese Begriffe in der Diskussion um die Zukunft der Häuser am Hafenrand fest zu verankern. Eine Veranstaltung der Patriotischen Gesellschaft zeigte am Donnerstag abend jedoch, daß diese Vokabeln im Senat mit einer gänzlich anderen Bedeutung verknüpft werden – mit dem Wort „Bringeschuld“.

Den Dialog zwischen Stadt und Hafenstraße in Gang zu bringen, diesen völlig verschütteten Weg freizuschaufeln, bemüht sich die altehrwürdige Patriotische Gesellschaft. Ihr erster Versuch, die Kontrahenten zum Thema „Bebauung der Baulücke am Hafenrand“ zu einer öffentlichen Debatte an einen Tisch zu bringen, scheiterte jedoch – am offensichtlichen Dünkel des Senats. Alle geladenen Regierungsvetreter sagten ab. Als Überbringer unmißverständlicher Botschaften entsandte der neue Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow statt dessen seinen Oberbaudirektor Egbert Kossak. Als Prügelknabe mußte der gegen die Hafenstraßensympathisanten auf dem Podium – darunter Alternativarchitekt Hinrich Baller, Mäzen Jan-Philipp Reemtsma und FDP-Freidenker Robert Vogel – und im Publikum antreten. Und dabei die Hoffnung der Versammelten – ein Neuanfang beginne bereits bei der Entscheidung über Lückenbebauung – gründlich zerschlagen.

Sozialwohnungsbau durch die städtische Hafenrand GmbH oder ein Stadteilprojekt der Hafenrand-Genossenschaft – diese beiden Alternativen stehen unverückbar gegeneinander. Das städtische Modell, vor vier Jahren in einem Wettbewerb ausgelobt, sieht 55 Wohnungen, Gewerbe und einen Kindergarten vor. Das Bewohner-Modell setzt mehr Schwerpunkte auf soziale Einrichtungen (Festhalle, öffentliches Bad, Volxküche, Kita), enthält aber auch Wohn- und Gewerberaum. Die Idee für das Projekt war in vielen Diskussionen mit St.PaulianerInnen entwickelt worden.

Jedoch, es leidet unter einem Makel – seine Realisierungschancen sind gleich Null. Denn der sich windende Oberbaudirektor tat kund, daß der Bauantrag der Hafenrand-GmbH in den nächsten vier Wochen genehmigt werde. Als Hiob wollte er sich dennoch nicht verstanden wissen: „Lassen Sie uns über die Bebauung der Lücken reden, vielleicht fällt das Wort Abriß dann solange nicht“.

Ein Stillhalte-Abkommen als Nagelprobe und Garant für den Erhalt der Altbauten – so das verklausulierte Angebot aus dem Hause Mirow. Ein Beleg mehr dafür, daß die starre Senats-Phalanx ins Wanken gerät und der Bürgermeister mit seinem starrköpfigen Räumungskurs ministrable Gefolgschaft verliert.

Die Versammlung goutierte die Mirowsche Linie dennoch nicht – zu tief sitzt das Mißtrauen, einem weiteren, vagen Versprechen auf den Leim zu gehen.