Let's go for a touchdown!

■ Cheerleading Marke USA: Die „Ladies of Spirit“ haben die Faltenröcke und das Hula-Hula hinter sich gelassen

Unmotiviert rumstehen gibt's einfach nicht. Hände in die Hüften – klar darf eine mal aufs Klo oder ne Cola trinken. Ansonsten aber wird angefeuert. Und weil es ja blöd aussieht, wenn sie sich da bewegen und nichts sagen, schreien und singen sie cheers and chants. Wie's richtig geht, das haben sie den Amerikanerinnen abgeguckt, die Cheerleader der Bremen Wolverines. Mit 500 „ständig kreischenden und abgedrehten girls“ saßen sie vor sechs Jahren beim American-Cheerleader-Camp in der Highschool in Ramstein zusammen. „Das mußt du mal erleben, das ist grausam. Man ist total abgenervt, aber man kriegt 'nen Kick, man kriegt diesen spirit mit.“ Und hinterher konnten sie's plötzlich, das cheering.

Da war den zehn Frauen klargeworden, daß es ihnen nicht reichen würde, nur als Footballbeigabe am Spielfeldrand ihrer Wolverines „rumzuwedeln und rumzuhopsen“. Sie wollten ihren eigenen Namen und ihr eigenes sportliches Ideal. Fortan nannten sie sich die Ladies of Spirit. Und haben seit ihrem Gründungsjahr 1988 schon zweimal den Deutschen Meistertitel im Cheerleading eingeheimst.

„Das sieht ja alles immer so einfach aus“, meint Susanna Tollkühn, Spirit-Mitgründerin und heute zweite Cheerleading Landesbeauftragte Nord. „Aber es geht doch alles nach Vorschrift.“ Wie steigen die Frauen auf und ab, wenn sie eine ihrer Figuren bilden? Sind die Arme richtig abgewinkelt? Tough enough? Ganz wichtig bei der touch down motion: die Faust. Und wehe, der Daumen steht ab. Was die Ladies dann aus diesen Vorgaben entwickeln, das bleibt ganz ihnen überlassen. Die Kirschbombe etwa, die Flying- Nicole-Pyramide oder den Christmas-tree. Auf jeden Fall muß alles straff und synchron sein und ansehnlich enden. Und das Outfit muß stimmen. Auffälliges Schminken ist ihnen wichtig, denn auf die Entfernung sehen die Leute ja sonst nichts. „Von nahem ist das allerdings furchtbar häßlich“, gesteht Martina Wöstendieck. Da gehören knallig lackierte Fingernägel dazu, teure (aus den USA eingeflogene) Kostüme – und lange Haare und Beine? „Daß wir alle lange Haare haben, ist Zufall, aber dünn mußt du bei uns nicht sein. Wir brauchen ja auch Frauen, die die anderen tragen können.“ Als die Ladies of Spirit mit Cheerleading angefangen haben, wollten sie nur durch Leistung bestehen. Damals trugen sie noch Faltenröcke und T- Shirts, jetzt sind sie gut, jetzt reicht das nicht mehr. Nur die weißen Socken und die Turnschuhe sind geblieben.

Was da wirkt wie zackiges Aerobic, das ist für die Ladies of Spirit Leistungssport. Jede kann den Spagat, den Radschlag, und alle mögen diese Mischung aus Gymnastik, Tanz und Artistik. „Konditionell powert dich das ganz schön aus“, sagt Tanja Franz, „und du mußt ja auch noch dabei lachen.“ Wie die Karnevals-Gardefrauen. Ach ja, die Funkenmariechen finden alle im Team ganz toll.

Außerhalb der Footballsaison gehen die Cheerleaders auf Tour. Um Geld reinzukriegen, denn sie müssen sogar die Hallenmiete fürs Training selbst bezahlen. Also beleben sie Betriebsfeste, beglücken die Bremer Landesbank und waren letztes Wochenende bei der Superbowl-Party im Hotel Marriott. „Da machen wir dann nur Show, denn mit cheers und chants können die Leute da nichts anfangen“ (Tanja). Show, das heißt choreographierter Tanz. Zu Techno, Rock'n Roll, Pop, Rap – alles, wonach den Ladies gerade der Sinn steht.

Im Stadion, da kommen sie nur bei den time outs zum Tanzen. Sie wollen ja nicht vom Spiel ablenken, sondern vor allem ihrem Footballteam die Stange halten. Die Fans mögen das, und trotzdem wird da nicht „rumgehühnert“ (Martina). „Uns würde nie jemand zu nahe kommen, weil wir diszipliniert sind.“ Über die Hula-Hula-Vorbehalte der Leute regt sie sich schon gar nicht mehr auf. Von wegen Elitegirls wie in den USA. Davon können die deutschen Cheerleaderinnen nur träumen. Martina Wöstendieck: „In diesen Schulfilmen wird das ja leider total runtergemacht. Dieses Eindeutschen ist so schlimm!“ Aber Hauptsache, die Ladies of Spirit werden von den amerikanischen Chearleadern anerkannt. Die haben dem deutschen Team vor vier Jahren auf dem Camp den runner up, den zweiten Wettbewerbsplatz, verliehen. „Inzwischen denken die auch nicht mehr, daß wir hier nur geflochtene Zöpfe tragen.“

Silvia Plahl