Ich bin ein Schuhschrank

■ Plauderei bei der Internationalen Möbelmesse in Köln / Fast 1.500 Aussteller zeigten sechs Tage lang ihr Angebot / Erlkönige, Dinosaurier und Sitzuhren liegen im Trend

Beinahe hätte Bundespräsident Richard von Weizsäcker den Herstellern von Möbeln ernsthaft Angst gemacht: Drohte sich seine Kritik an der Übermacht der Parteien doch wahrhaftig der Politikverdrossenheit und dem Rückzug ins Private in den Weg zu stellen. Doch sein populistisches Aufplustern hielt nicht lange, der Präsident atmete wieder aus, Handwerk und Industrie auf.

„Möbelbranche profitiert vom Rückzug ins Private“, so die Erfolgsmeldung im Schlußbericht der Kölner Messe. Denn schließlich strömten rund 150.000 Besucher in die Hallen, 35.000 alleine am sogenannten „Welttag des Wohnens“, an dem die Fachmesse auch für Otto-Normal-Probelieger öffnete.

Drinnen konnten sie durch kilometerlange Küchen, vorbei an Hunderten von Wohnzimmern und in weit geöffnete Schlafzimmer laufen, die 1.444 Aussteller aus 45 Ländern für sie aufgebaut hatten. Um des Betrachters fachkundiges Auge trotz dieser Masse zu erhaschen, hatten sich einige Händler mächtig ins Zeug gelegt. Vom weiterhin grassierenden Dino-Fieber befallen, warben auch Möbelverkäufer mit großen und kleinen Ur-Viechern, von denen sich nur hoffen läßt, daß sie – wie vor Jahrtausenden schon einmal – bald wieder aussterben.

Der Münchner Möbel-Produzent Domolux setzte hingegen auf das Kommunikative: „Ich bin ein Schuhschrank“, verkündete ein ebensolcher vermittels einer riesigen Sprechblase. Zugegeben: Angesehen hätten es ihm die meisten Besucher von alleine nicht. Denn das Schränkchen aus furnierter MDF, der mitteldichten Faserplatte, die mehr und mehr die Spanplatte verdrängt, ist gerade einmal 16 Zentimeter tief. Damit läßt das Plaudermöbel auf Platz für Kinderstiefelchen schließen. Doch hinter den drei Kippladen, die sich synchron öffnen, verbirgt sich in der Tat ausreichend Platz für ausgewachsene Schuhe. „So sehe ich gleich, was ich im kompletten Angebot habe“, warb Thomas Besch, Assistent der Geschäftsleitung, und lieferte auch des Möbels Philosophie: „Es soll keiner Schuhe dahinter vermuten.“

Nicht einmal Sinn hätten selbst Fachbesucher hinter vielen Exponaten der Firma Austria Classica aus Zell am See vermutet. Doch die afrikanisch anmutende Marmor-Säule war wirklich ein Barhocker, so wie sich auch die kantenlos wirkende Granitplatte in Form einer Speerspitze auf ihrem Ballkleid-ähnlichen Bronzesockel wider Erwarten als simpler Tisch nutzen läßt. Luxus pur, versprach Besitzer Ernst Deutsch: „Jede dieser Extravaganzen unterliegt lediglich den Gesetzen der Physik und denen der Funktionsfähigkeit.“

Den Anforderungen der Haltbarkeit und der Modewellen stellten sich die Werkstätten der Lebenshilfe (WDL) im Nordschwarzwald: Ihre verstellbaren, der Werbung nach „mitwachsenden“ Kinder- und Jugendmöbel gehörten zu den Innovationen der Neunziger. Zugleich wurde mit massiver Erle das absolute Trendholz gewählt.

Überhaupt war Massivholz das Material, das die Internationale Möbelmesse prägte. Doch obwohl auch die Oberflächen zunehmend mit Naturlacken oder Öl veredelt werden, lagen Biomöbel nicht mehr so im Trend. Verbindungen und Scharniere bestehen nur selten aus natürlichen Materialien, wenngleich Lederbänder und Sisalgriffe weiter vertreten waren.

Die Zeichen der Zeit wollte PAF nicht nur erkennen, sondern auch besitzen – im wahrsten Sinne des Wortes: Der Schweizer Hersteller bot bunte Stühle an, deren Sitzflächen Uhren sind; das Gestell sieht aus wie das entsprechende Armband samt Schnalle. Auch aus Schweden wurde ein Hocker nach Köln gebracht, dessen Besitzer aufstehen muß, um die genaue Zeit auf der Sitzfläche sehen zu können. georg/ca