Von ungewaschenen Männer-Unterhosen

■ Die Geschichte des Waschens ist zugleich eine Geschichte der Zivilisation und des bürgerlichen Schmutzbegriffs / Nur die Männer leiden nicht am leibhaftigen Waschzwang

Samstag ist Waschtag. An allen Ecken und Enden stehen sie mit dem Schwamm in der Hand und streichen zärtlich über die metallene Haut ihres Opel-Astra. Trotz „Cosy-Wasch“ – und in aller Öffentlichkeit. Gut Ding braucht schließlich Pflege. Und die durchgeschwitzten Jogginghosen landen anschließend im Wäschekorb, auf daß die umsichtige und pflichtbewußte Ehefrau sich ihrer annehme.

Am Machtverhältnis Waschen hat auch die Präsentation der ersten Trommelwaschmaschine auf der Hannoveraner „Constructa“ 1951 wenig geändert. Auch wenn fortan eine „Entkörperlichung der Arbeit“ einherging, schreibt dazu die Soziologin Gudrun Silberzahn- Jandt, wurden gleichzeitig die Mäßstäbe heraufgesetzt: „... an das zu erzielende Waschergebnis und die häufigere Entscheidung, waschen zu müssen“.

Bevor es dazu freilich kam, floß so manches Waschwasser in den Ausguß. Zwar war mit der „Constructa“ nun Vorwäsche, Spül- und Schleudergang in einem Aufwasch zu haben, doch der Preis war hoch und die „Constructa“ noch lange nicht „etagenfähig“. Noch zehn Jahre nach der Hannoveraner Neuigkeit konnte erst ein Viertel der westdeutschen Haushalte einen Vollautomaten in den eigenen vier Wänden sein eigen nennen. Heute sind es 98 Prozent.

Nicht nur vom Bedarf her ist der Waschsalon mithin ein Anachronismus, auch soziokulturell. Und wer seine schmutzige Wäsche im Waschsalon genüßlich ausbreitet, bevor er sie in die Trommel stopft, ist ein Exhibitionist, der mit den Grundregeln der Zivilisation auf Kriegsfuß steht. Inbesondere am Waschen zeige sich, behauptet die Soziologin Ilona Ostner allen Waschküchen und Waschsalons zum Trotz, wie die Arbeit im Laufe der Zeit ihren öffentlichen Charakter eingebüßt habe und zu einer intimen, die Privatsphäre betreffenden Handlung wurde.

Daß das Waschen selbst Produkt der Zivilisation ist, wissen wir spätestens seit Norbert Elias: Die „Beherrschung von Affekten“, schreibt der Zivilisationspapst, sowie die Entstehung höherer „Peinlichkeits- und Schamschwellen“ sei ebenso wie die Triebsublimierung ein Wesenszug der Zivilisation. Auch der Begriff vom Schmutz: „Wenn heute“, stellt die Soziologin Karin Hausen fest, „Wäsche nur einen Tag getragen wird“, so stehe dahinter eine andere Vorstellung von Sauberkeit, „als wenn 1747 in Zedlers Lexikon von ,schwarzer Wäsche‘ die Rede ist, die ,gebrühet und gewaschet‘ werden muß“. Was porentief rein ist, darüber streitet man sich noch heute. Weltweit. Nur in Europa etwa herrscht die Meinung vor, daß nur gekochte Wäsche wirklich sauber ist.

Noch immer freilich findet die „Verheimlichung des Leiblichen“, wie Elias den Wasch- und Zivilisationszwang bezeichnet, einen archaischen Widersacher: den leibhaftigen Mann. Der nämlich wechselt seine Unterwäsche nur selten täglich und stets widerwillig, wie eine Studie aus dem Jahre 1988 und das berüchtigte Foto vom eingepißten Pogrom-Rostocker eindrucksvoll belegen. Vielleicht, so steht zu vermuten, landet auch die Jogginghose unseres stolzen Autowäschers erst am folgenden Samstag im Waschkorb. Sage da eine, daß das Land sie nicht schon längst hätte: die neuen Männer: Opel Astra streicheln, aber fernab jeglicher Zivilisation. Uwe Rada