Durchaus professionell und erfolgreich

■ betr.: „Künftig nur noch unter si cherem Geleit“ u.a., Tagesthema taz vom 25.1.94

Die taz erweckt in unverantwortlicher Weise den Eindruck, daß die nicht-staatlichen Hilfsorganisationen (NGOs), die unter Einsatz ihres Lebens und durchaus professionell und erfolgreich nach Zentralbosnien fahren, naive und unzureichend ausgerüstete Amateure sind. [...] Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) protestiert scharf gegen eine solche Berichterstattung [...].

1. Keine seriöse Hilfsorganisation, seien es der UNHCR, das IKRK, der „Deutsche Konvoi“ oder auch die NGOs wie „Brücke der Hoffnung“, Care, Help, Ökumenisches Hilfswerk, Nordhessen, kann zur Zeit garantieren, daß die gespendeten Lebensmittel und Hilfsgüter die Empfänger in Tuzla und Zenica in vollem Umfang oder überhaupt erreichen. Wer den Eindruck erweckt, 100 Prozent der für Zentralbosnien bestimmten Hilfsgüter auf dem Landweg wirklich zustellen zu können, täuscht die Öffentlichkeit. Nicht einmal die UNO ist dazu in der Lage, wie wir alle wissen.

2. Daß die Hilfsgüter nicht in vollem Umfang ankommen, hat wenig mit „fehlender Professionalität“ zu tun. Was die humanitäre Hilfe aus Deutschland betrifft, liegt es unter anderem daran, daß das Auswärtige Amt – trotz des Alarms des UNHCR und anderer Organisationen bereits im Mai 1993 – erst im November 1993, nach dem ersten Kälteeinbruch, über eine Winterhilfe für Bosnien und über die finanzielle Hilfe für NGOs nachdachte.

3. Eines der größten Probleme sind die fehlenden Transportkapazitäten. Dieses Hindernis kann in der Tat mit Professionalität überwunden werden und wird es auch. Nicht nur von „Profi“ Schroer, sondern auch von anderen. Kleine nicht-staatliche Organisationen wie das Ökumenische Hilfswerk Nordhessen („Logistic-Service“) haben schon im Sommer mit der Anschaffung wintertauglicher allradgetriebener LKWs begonnen. Daß diese knappen Lkws so rationell wie möglich beladen werden müssen, setzt natürlich standardverpackte Ware voraus. Aber auch Familienpakete lassen sich standardisiert packen. Die kleinen NGOs sind erheblich kostengünstiger und flexibler als die „Großen“. Der Transport einer Tonne Lebensmittel in die Hungergebiete kostet mit dem „Ökoumenischen Netz“ 2.000 DM, mit der Bundeswehrluftbrücke 20.000 DM.

4. Es sind jedoch nicht der Winter und die Straßenverhältnisse und fehlende Allrad-Lkws, sondern es ist der Krieg und ganz entscheidend die Blockade Zentralbosniens durch Serbien, Kroatien und „Herceg-Bosna“, die die umfassende Versorgung verhindern. Daß die kroatische HVO den Weitertransport von Zucker verhindern und Konvois deshalb zum Umkehren zwingen darf, daß der UNHCR Sprengstoff für den Kohleabbau in den Gruben von Zenica (Energieversorgung) nicht auf dem Landweg transportieren darf, das sind Schikanen kroatischer Behörden und der Behörden von „Herceg-Bosna“, die von Deutschland aus durch politisches Handeln der deutschen Bundesregierung wenigstens gegenüber der „befreundeten“ Regierung Tudjman beeinflußt werden könnten. Nichts davon ist geschehen.

Auch das hat nichts mit mangelnder Professionalität der Helfer zu tun, sondern ist politisches Kalkül des Auswärtigen Amtes. Nach Informationen der GfbV vertreten hochdotierte Beamte des für humanitäre Hilfe zuständigen Referates 301 die Auffassung, die Hilfe müsse eingestellt werden, weil sie den Krieg verlängere. Bis November 1993 beschränkte sich die irreführend „Hilfe für Bosnien-Herzegowina“ genannte Unterstützung des Auswärtigen Amt zum großen Teil auf Projekte in den leicht erreichbaren kroatisch kontrollierten Gebieten in „Herceg-Bosna“.

5. Die tatkräftige Unterstützung für den kompetenten und engagierten Profi Schroer ist endlich ein Schritt in die richtige Richtung. Aber Schroer ist Unternehmer. Er führt Aufträge derjenigen aus, die ihn bezahlen. Kritik und Bitten um entschlossenes Handeln zur Veränderung der politischen Rahmenbedingungen (siehe 4.) sind von einem Privatunternehmer nicht zu erwarten. Dadurch, daß das Auswärtige Amt Schroer als einzigen humanitären „Bosnien-Transporteur“ akzeptiert und finanziell fördert, gehen die anderen bewährten „Transporteure“, die ebenso erfolgreichen, professionellen und billigeren NGOs lehr aus. Dank der fatalen taz-Berichterstattung stehen sie möglicherweise vor dem Ruin. [...]

Wir bitten alle, die Bosnien- Herzegowina helfen wollen, auch weiterhin die kleinen NGOs zu unterstützen, wie zum Beispiel „Brücke der Hoffnung“, „Ökomenisches Hilfswerk Nordhessen“ u.a.m., die sich nicht aufs „professionelle“ Palettenabwerfen beschränken werden. Felicitas Rohder, Osteuropa-

Referentin, GfbV, Göttingen