■ Mit Arbeitslosigkeit auf du und du
: Weltmeister Europa

Berlin (taz) – Ach Europa! Die europäische Einigung ist ein Traum, und wenn sie wahr wird, dann nur dank des Chaos und schierer Verzweiflung. Was derzeit zusammenwächst, sind die immer länger werdenden Schlangen vor den Arbeitsämtern. Auf 10,5 Prozent ist die Arbeitslosenrate in den zwölf EU- Mitgliedsstaaten im letzten Jahr angestiegen, 1,1 Prozentpunkte mehr als noch 1992. Die Dunkelziffer nicht einmal mitgerechnet, sind 15,8 Millionen Menschen zwischen Kopenhagen und Gibraltar ohne Job – die EU ist damit Weltmeister der Arbeitslosigkeit. Allen voran schreiten Spanien und Deutschland: Mit ihren 3,46 Millionen Beschäftigungslosen (21,5 Prozent) können sich die Südländer ohne weiteres mit Dritte-Welt-Staaten messen; die Deutschen, deren Arbeitslosenheer 1993 allein im Westen um ein Viertel auf 1,73 Millionen anstieg, dürfen sich trösten, daß die Euro-Statistiker den Osten noch nicht mitzählen. – Es ist schon paradox: Das vielbeschworene soziale Modell Europa produziert weit mehr Beschäftigungslose als die als urkapitalistisch verschrienen USA. Rund sieben Prozent gingen dort 1993 stempeln, in Japan waren es sogar nur 2,5 Prozent. Nimmt man die OECD- Zahlen zur Hand, fällt die Bilanz für Europa noch schlechter aus: Während in den USA in den letzten 20 Jahren immerhin knapp 30 Millionen neue Jobs entstanden sind, waren es in der EU gerade acht Millionen. Obwohl Amerika wegen geringer Arbeitslosenunterstützung und Hungerlöhnen in unzähligen Hilfsdiensten nicht unbedingt als Vorbild taugt, müssen sich die Europäer bald etwas einfallen lassen, um neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu eröffnen. Zwar haben die Staats- und Regierungschefs auf dem letzten EU-Gipfel eine Wachstumsinitiative verabschiedet, doch ob der neue Marshallplan überhaupt umgesetzt wird, steht in den Sternen. Den Entlassenen bei Seat, Thomson oder Krupp nützt es wenig. Erwin Single