Die Zeit der Normalisierung hat begonnen

■ Interview mit Joachim Broudré-Gröger, von 1986 bis 1990 BRD-Botschafter in Vietnam

taz: Was bedeutet die Embargo- Aufhebung für das deutsch-vietnamesische Verhältnis?

Broudré-Gröger: Wahrscheinlich, daß man sich darauf vorbereiten muß, daß der Wettbewerb in Wirtschaftsfragen sehr viel schärfer wird. Aber die Voraussetzungen, die wir in Vietnam vorfinden, sind für uns so sehr viel besser als für viele unserer Mitkonkurrenten. Denn in der DDR haben über 7.000 Vietnamesen ihr Studium abgeschlossen, mehr als 15.000 haben ihre Facharbeiterausbildung bekommen, und über 200.000 haben mehrere Jahre in der DDR gearbeitet. Das heißt, wir haben eine Deutschland-Affinität und eine Deutschland-Kenntnis insgesamt, wie in keinem anderen asiatischen Land.

Die DDR hatte schon lange ihre Projekte in Vietnam. Wann hat die BRD angefangen?

Die ersten Stipendien wurden 1986 vergeben, danach kamen Zuschüsse für humanitäre Organisationen, vor allem in Katastrophenfällen, ab 1988 kamen die ersten zaghaften Schritte in Richtung technische Hilfe, also Ausbildungsprojekte in Vietnam. Dann begannen sich auch die politischen Stiftungen zu engagieren in Bereichen, die für die Reformpolitik zentral waren, also unter anderem Rechtsfragen, Wirtschaftsfragen, Exportförderung.

Wie stand es währendessen mit Geschäftsbeziehungen?

In der Zeit, da die US-Firmen sich gezwungenermaßen auf der Wartebank sahen, da wurde von deutschen Firmen zu wenig getan. Im Vergleich zu anderen Ländern aus der Europäischen Union sind wir Schlußlicht, bedauerlicherweise. Das ist erklärlich, denn in der Phase der deutschen Einheit haben sich die Interessen zunächst auf diese Region konzentriert. Es gibt noch sehr wenige direkte Investitionen in Vietnam, aber Kooperationen und Joint-ventures, zum Beispiel im Textilbereich, auch in Teilen der Mechanik etc. Vietnam exportiert noch mehr in die BRD, als es importiert.

Hat die Aufhebung des Embargos irgendwelche Folgen für die hier lebenden VietnamesInnen?

Nein, das glaube ich nicht. Interview: Jutta Lietsch