Kühl und zurückhaltend – aber ausgesprochen erleichtert

■ Reaktionen auf die Entscheidung aus Vietnams Hauptstadt Hanoi

Hanoi (taz) – Die Böller und Feuerwerksraketen, die gestern in der vietnamesischen Hauptstadt gezündet wurden, hatten mit der Nachricht vom Ende des fast 20jährigen US-Embargos gegen Vietnam nichts zu tun: Hanoi bereitet sich schlicht auf die Festlichkeiten zum Tet, dem traditionellen vietnamesischen Neujahrsfest, vor.

Vertreter der Regierung reagierten gestern morgen mit höflichem, aber kühlem Beifall zur Entscheidung von US-Präsident Bill Clinton: Sie sei „positiv und bedeutsam“ und schlage „eine neue Seite in den amerikanisch-vietnamesischen Beziehungen auf.“ Vor Journalisten beschrieb Vize-Außenminister Le Mai diesen Schritt aber auch als „sehr spät“. „Ich glaube, die vietnamesische Frage hat in den USA viele emotionale Fragen geschaffen, und wir Vietnamesen haben dabei weniger Emotionen“, sagte er.

Aber diese offizielle Zurückhaltung entspricht nicht ganz der allgemeinen Erleichterung über den Schritt Clintons, dieses letzte Überbleibsel eines Krieges beiseitezuräumen, den die Vietnamesen bereits zur Geschichte zählen. Tatsächlich haben Menschen aller Schichten ihn herbeigewünscht. „Wir hatten zwei lange Kriege mit den Amerikanern, einen Heißen und einen Kalten Krieg, was einige verletzte Gefühle hinterlassen hat“, meint der Ökonom Do Duc Dinh. „Die Aufhebung dieses Embargos wird diese Wunden heilen. Alles wird besser werden.“

Allerdings zeigte das Embargo in jüngster Zeit Löcher: Im vergangenen Jahr hat Washington bereits das Veto gegen die Gewährung von Krediten durch die multilateralen Organisationen wie Weltbank und Weltwährungsfonds zurückgezogen. Damit war die für Vietnam schädlichste Dimension des US-Embargos beseitigt worden und der Weg frei für beträchtliche Kapitalspritzen zum lange verzögerten Wiederaufbau der maroden Infrastruktur des Landes.

Geschäfte und Marktstände in Hanoi und Ho Chi Minh City quellen schon jetzt über von US-amerikanischen Konsumgütern. Coca- Cola und Marlboro-Zigaretten sind zu haben, aber auch Apple- Computer und Laserdrucker von Hewlett Pakard – dank Vietnams unternehmungsfreudigen Händlern und den Zulieferern in Hongkong, Singapur und Bangkok. In den schmalen Straßen von Hanois Altstadt, wo sich die Kunden beim Kauf der Vorräte für das Neujahrsfest drängen, glauben die Händler, daß die Entscheidung Clintons hervorragend fürs Geschäft ist. „Das ist eine gute Nachricht, nicht nur für mich, sondern für jedermann“, sagt Nguyen Thi Thanh, der einen staatlichen Laden leitet.

„Nun werden noch viele Länder Beziehungen mit Vietnam aufnehmen und noch viel mehr Menschen werden hierherkommen, um mit uns Geschäfte zu machen“, sagt die ehemalige Russischlehrerin Le Ha, die heute einen Uhrenladen führt – wo zwar noch keine Rolex- und Omega-Uhren ausliegen, aber schon die funkelnden Raymond- Weil- und Chopard-Modelle, die sich die Vietnamesen bis vor einem oder zwei Jahren nur in ihren Träumen leisten konnten. Was aber, sollten sich die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllen? Die neue Schicht der vietnamesischen UnternehmerInnen „glaubt, daß jetzt eine wahre Geldflut ins Land strömt“, sagt ein westlicher Investitionsberater. „Das wird meiner Meinung nach einfach nicht geschehen.“

Diese Erwartungen beschränken sich aber nicht nur auf neue Möglichkeiten in Vietnam. „Drei Leute haben heute schon bei mir angerufen, die sich überlegen, in den USA zu investieren, und die gesagt haben: Das ist eine großartige Nachricht. Sind Sie bereit, für uns zu arbeiten?“ Möglicherweise werden nun zahlreiche US-Geschäftsleute nach Vietnam kommen, um neue Gelegenheiten zu erkunden, meinte er. Aber ihr Interesse in konkrete Projekte umzusetzen, war bislang für Investoren aus anderen westlichen Ländern ein mühsames Unterfangen. „Das wird für die Amerikaner genauso schwierig.“

Nick Cumming-Bruce