■ Cannabisfreunde: Großes „Smoke-in“ in Stuttgart
: „Mir wird immer schlecht“

Stuttgart (taz) – Ein Wintertag, wie man ihn mag: kalt, aber freundlich und hell. Über die Stuttgarter Königsstraße wieselte, wie an langen Samstagen üblich, halb Württemberg. Aber es gab Wichtigeres!

Ein Flugblatt, das schon seit Wochen kursierte und von einem gewissen „TeeHaaCee“ unterzeichnet war, hatte den Weg gewiesen zum subversiven „Smoke- in“ auf dem Schloßplatz. „Geben wir Rauchzeichen gegen die starrköpfige Drogenpolitik der Regierung“, hieß es dort, „Kekse nicht nur zu Weihnachten“ und: „Finden wir uns zusammen zum verbindenden Joint.“ Nichts wie hin also, und was – wir trauten unseren Augen nicht – sah man schon von weitem? Tausende waren zusammengekommen! Menschen jeden Geschlechts, Alters, jeder Klasse. Das Bürgertum war vertreten. Die Alten. Auch jede Menge Polizisten, versteht sich. Das war ja beeindruckend! Ein überwältigendes Votum für „die längst fällige Legalisierung von Cannabisprodukten“? Eine Reaktion auf die Worte des Stuttgarter Polizeipräsidenten Volker Haas, der die Cannabisfreunde vergangene Woche via Spiegel mal wieder hatte wissen lassen, er halte „besonders staatliche Maßnahmen im Interesse der Volksgesundheit bei Haschisch“ für „nicht angezeigt“? Nun, nicht ganz: Die vielen Menschen stellten sich als Bosnier heraus, die gegen den Krieg in der Heimat demonstrierten und die „Aufhebung der Belagerung Sarajevos“ forderten. Geraucht wurde zwar auch, jedoch in der Regel kein Cannabis.

Aber aufgepaßt: Richtung Schloß sah man einen einzelnen Polizisten stramm auf eine kleinere Menschentraube zumarschieren, die – wenn man näher kam, sah man es – friedlich vor sich hin qualmte.

Wenn man noch näher kam, roch man es auch. Das waren sie! Das Smoke-in! Legalize it! 250 mochten das sein, auch breit gestreut durch die Bevölkerungsschichten, vom Skin zum Altfreak, die gemäß Flugblattweisung demonstrierten, „wie selbstverständlich Haschischrauchen sein kann“. Allerdings: Hauptsächlich sich selbst. Denn wer sollte das ohne Kenntnis des Flugblattes wissen? Es handelte sich ganz offensichtlich um keine professionellen Öffentlichkeitsarbeiter, denn – dies erklärte ihnen der Mann in Grün gerade freundlich: „Sie haben keine Transparente, Sie haben keine Plakate, ich weiß nicht, ob sie da eine große Wirkung erzielen.“ Tja: Selbst sein Flugblatt hatte der gewiefte Beamte ein paar Tage zuvor in Ludwigsburg sicherstellen müssen! Trotz dieses eindeutigen Gegenbeweises ließ er sich sodann bestätigen, daß es sich bei den Cannabisfreunden um eine „spontane Versammlung“ handele, man plauderte ein bißchen, der Beamte wurde ausdrücklich gelobt für sein Verständnis („Wohl Kurse gemacht?“) und Äußeres („Nette Lederjacke!“), lehnte allerdings eine Beteiligung am Kundgebungszwecke mit der üblichen Ausrede („Mir wird immer schlecht“) ab. Dafür gelang es ihm aber trotz listigen Lockens auch nicht, aus den trutzigen Reihen einen für eine „spontane Versammlung“ dringend benötigten „Versammlungsleiter“ zu gewinnen, um später ein etwaiges Bußgeld abkassieren zu können.

Während nun die ebenfalls anwesende Szene Entwarnung gab und ihre Geschäfte wieder aufnahm und einzeln Passantenaufklärung nach anfänglichen Bedenken („Die trinken ja auch!“) erfolgreich abgeschlossen wurde („Wegen mir könnt ihr rauchen“), hatte der Ordnungshüter „noch eine Bitte“. Ohne mit dem Schnurrbart zu zucken, sprach er: „Machen Sie keinen Müll!“ Dann schritt er davon. Später wurde es dann kalt, und alle gingen nach Hause. Peter Unfried