(K)ein Streit um die Reformpolitik

Polens Finanzminister Borowski ist zurückgetreten – doch bei der dadurch ausgelösten Regierungskrise geht es weniger um Wirtschaftspolitik als um die Ambitionen der Politiker  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Der hinter den Kulissen schon seit Monaten andauernde Machtkampf in der polnischen Koalitionsregierung ist am Wochenende zu einer Kabinettskrise eskaliert. Wegen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten mit Premier Pawlak (Bauernpartei) nahm Finanzminister Marek Borowski (Sozialdemokraten) am Freitag abend seinen Hut und stellte Pawlak damit vor die Wahl, klein beizugeben oder die Koalition nur hundert Tage nach ihrem Zustandekommen platzen zu lassen. Aleksander Kwaśniewski, Chef der Sozialdemokraten, sprach inzwischen von einem „Bruch des Koalitionsabkommens“ durch Pawlak.

Begonnen hatte alles mit einem Erfolg. Die Privatisierung der Schlesischen Bank, bereits Ende letzten Jahres von Vizefinanzminister Stefan Kawalec vorbereitet, wurde an der Warschauer Börse zum Renner der Saison. Zwar waren 25 Prozent der Aktien zum Stückpreis von umgerechnet knapp 40 Mark an die holländische ING-Bank gegangen. Der Rest jedoch wurde zum gleichen Preis an Kleinaktionäre verkauft. Die Folge: Da es in Polen schon seit geraumer Zeit zu viele Investitionswillige, aber zu wenig Aktien gibt, schossen die Aktien auf das Dreizehnfache ihres Nominalwertes. Also hätte man der ING die Anteile auch teurer verkaufen können, argumentierten aufgebrachte Abgeordnete der Bauernpartei und schossen sich auf Kawalec ein, auf dessen Posten die Bauernpartei ohnehin schon ein Auge geworfen hatte. Der amtierende Finanzminister Marek Borowski stellte sich jedoch vor ihn, worauf Premier Pawlak, zugleich Chef der Bauernpartei, Kawalec ohne Rücksprache mit Borowski feuerte.

Borowski nutzte die Chance, stellte Pawlak schriftlich zur Rede und verlangte von ihm mehr Kompetenzen, unter anderem sollte das Hauptzollamt seinem Ministerium untergeordnet werden. Aleksander Kwaśniewski, Chef der Sozialdemokraten, ging noch weiter: Alle Personalentscheidungen des Premiers vom Departmentsdirektor und Vizewoiwoden aufwärts müßten mit dem Segen des zuständigen Vizepremiers erfolgen. Bisher hat Pawlak zwar bereits 18 von 49 Woiwoden ausgewechselt, laut Kwaśniewski aber nur in einem Fall einen Sozialdemokraten ernannt. Alle anderen seien entweder parteilos oder Mitglieder der Bauernpartei. „Das ist eine Vetternrepublik, mit Personalpolitik hat das nichts zu tun“, wetterte Kwaśniewski hinter verschlossenen Türen vor dem Parteivorstand. Pawlak jedoch, nicht weniger stur als Borowski, lehnte die Forderungen des Koalitionspartners ab. Der Finanzminister nach seinem Rücktritt: „Hier geht es gar nicht um meinen Vizeminister, sondern ums Prinzip, das Gesicht kann man nur einmal verlieren.“

Den Sozialdemokraten nahestehende Medien berichteten schon zwei Stunden nach Ende seiner Pressekonferenz von „Beunruhigung beim IWF“ und in den USA. Ohne den monetaristischen Währungshüter bestehe die Gefahr, daß Polen vom Reformkurs abkomme. Polens Linke rechnet damit, daß Pawlak unter dem Druck der der Bauernpartei meist wenig freundlich gesonnenen Medien weich wird. Außerdem werde er auch angesichts der Aussicht, den Budgetentwurf ohne Borowski durch das Parlament Sejm bringen zu müssen, nachgeben. Notfalls, so verkündeten Vertreter der Linken bereits, müsse Pawlak das eben mit einer Minderheitsregierung versuchen.

Daß die Regierung an dem Streit zerbricht, schließen die meisten beteiligten Politiker aus: Zum einen, weil dann Präsident Walesa der lachende Dritte wäre und weil es zur derzeitigen Koalition keine Alternative gebe. Es sei denn, man lasse den Gedanken zu, Bauernpartei, Union der Arbeit, Konföderation Unabhängiges Polen (KPN) und die 60 Abgeordneten der früheren kommunistischen Gewerkschaften könnten ohne Sozialdemokraten eine dann allerdings extrem populistische Regierungsmehrheit zustande bringen.

Auf der anderen Seite würden zwar viele Sozialdemokraten mit der Demokratischen Union von Ex-Premierministerin Hanna Suchocka zusammengehen, doch würde die Union ein solches Bündnis vermutlich nicht überleben. Für diesen Fall hat nämlich bereits der rechte Unionsflügel mit dem Austritt gedroht. Jetzt ist jedenfalls Pawlak am Zuge, der sich nach der Verfassung mit der Entscheidung, ob er Borowskis Demission oder dessen Bedingungen annimmt, Zeit lassen kann. „Wir warten auf einen Telefonanruf des Premiers“, verkündete Kwaśniewski vor der Presse, froh, den Schwarzen Peter los zu sein.