■ Mit Norwegens Öl auf du und du
: Ohne Rücksicht

Oslo (taz) – Norwegen will seine Erdölförderung auf die küstennahen Meeresgebiete des Skagerrak ausdehnen. Nach den Plänen der Regierung, die jetzt dem Parlament zur Entscheidung vorliegen, sollen erste Probebohrungen 1995 stattfinden. Bestätigen sich die positiven Erwartungen, würde die Ölförderung 1997 anlaufen.

Der Skagerrak, das Meeresgebiet zwischen der dänischen Nord- und der norwegischen Südküste, ist ein wichtiges Überwinterungsgebiet für viele Seevögel, gerade für solche, deren Bestand extrem gefährdet ist. Je nach Strömungs- und Windverhältnissen könnten bei einem Ölunfall die empfindlichen Schärenküsten Norwegens und Schwedens zerstört werden. Davon wären auch die Großstädte Oslo und Göteborg betroffen. Außerdem sind große Teile des Skagerrak im Winter regelmäßig mit Eis bedeckt. Methoden für die Bekämpfung einer Ölpest in einem eisbedeckten Meer gibt es nicht.

Eine Mehrheit der Bevölkerung an der norwegischen Südküste und auch der Kommunalvertretungen der dortigen Gemeinden hat sich gegen eine Ölförderung ausgesprochen. Nur in Kristianssand, dem Hauptort der Region, ist das Meinungsbild positiv: es lockt offenbar die Hoffnung auf Arbeitsplätze. Die Verbände der schwedischen und dänischen Berufsfischer verweisen jedoch auf die schlechten Erfahrungen, die ihre norwegischen Kollegen mit der Ölförderung in der Nordsee machen mußten. Nicht nur sind die Bestände zurückgegangen, viele Fänge sind wegen Ölgeruchs nicht mehr genießbar. Norwegische und schwedische Naturschutzorganisationen haben sich zu einem Kampagnenbündnis zusammengeschlossen und hoffen, eine Mehrheit der ParlamentarierInnen gewinnen zu können. Denn die norwegische Ölpolitik ist umstritten. Dem allgemein sinkenden Preis versuchen die staatlich kontrollierten Ölgesellschaften mit einer Ausweitung der Förderung zu begegnen. Das Land, das nicht der Opec angehört, ist heute weltweit drittgrößter Ölproduzent. Probebohrungen in einem noch wesentlich empfindlicherem Meeresgebiet sind auch schon geplant: im Barentsmeer. Reinhard Wolff