Daten-Dandys live

■ Westwerk: „Bilwet“ und „-Innen“ mit Theorie- und Medienperformances

„Nichts ist schlimmer als das, was genauso wahr ist, wie das Wahre“ - ein ungewöhnlicher Satz für die Schürze einer blonden Barfrau. Zusammen mit dem Getränk serviert sie einen schwarzen Würfel: „Information für Sie“, kommentiert eine gleich blonde und gleichgeschminkte Kollegin freundlich. Ihre philosophische Schürze ist beschriftet: „Es gibt nichts obzöneres, als die Überdosis desselben“. Die insgesamt vier gleichartigen Bardamen sind die Hamburger Medienarbeitergruppe -Innen, die am Freitag hinter dem Tresen des Westwerks auftraten. Aus zwei Fernsehern flennte und flehte es derweil: „Bitte melde Dich... komm doch nach Hause ...“. Aus verdichteten Reality-TV und Fernsehserien zusammengescnitten, zeigten die Videos der Gruppe RE-Produkts den verdichteten und verdoppelten Blödsinn der alltäglichen Medienberieselung mit abschließenden O-Ton: „Ich hoffe, Sie hatten Freude an der Sendung“.

Höhepunkt des von Sabine Siegfried zusammengestellten Abends war die Theorie-Performance der Amsterdamer Gruppe Bilwet, die ebenso hochintelligent wie respektlos clownesk Aspekte der Medienrealität beschrieben. Geer Lovink und Arjen Mulder wurden moderiert vom Freiburger „Kulturchronisten“ Dietmar Dath, der die „Datendandys“ bei ihrer Reise zu den UTO's (unbekannte Theorieobjekte) in der produktiven Begriffsverwirrung unterstützte.

Geschockt entfernten sich die rationalen Computeranwender unter den Besuchern, während es den anderen endlich klar wurde, daß in ihren Datennetzen fluide Geister spuken und das Mediensystem als Ganzes das Außerirdische repräsentiert, zumindest aber von den „Aliens“ gesteuert wird. Dermaßen durcheinander gebracht überschritt genau wie in der elektrischen Umwelt auch im Vortrag die Genialitätsdauer mitunter nicht mehr als 30 Sekunden. Es blieb die Aufmunterung, den medialen Spielraum als Chance zu sehen und nicht in Verzweiflung über die übermächtige Medienhegemonie zu verfallen.

Mit diesem Meta-Medien-Abend hat das Westwerk wieder einmal bewiesen, daß es in der Kunstvermittlung an vorderster Front steht. Doch auch der schon museumsreifen zeitgenössischen Kunst wird gedacht: sechs Tage lang werden die Filme von Jef Cornelis zur Kunst gezeigt. Es beginnt heute mit der Biennale Venedig 66 und der dokumenta 68, geht weiter mit Filmen über Christo, James Lee Byars, Daniel Buren, Panamarenko bis zum sechsstündigen Film über die von Jan Hoet 1986 in Genter Privatwohnungen inszenierten „Chambres d'amis“.

Hajo Schiff

Admiralitätsstr.75, Di-Fr 19-21 Uhr, Samstag 15-21.30 Uhr.