Allianzen entstehen, Allianzen vergehen

Italiens Parteien vor schwierigen Wahlbündnissen / Statt der durch das neue Wahlgesetz angestrebten Stabilität droht ein Desaster / Noch eine Woche Frist für KandidatInnenlisten  ■ Aus Rom Werner Raith

Eigentlich sollte Italiens vom Volk per Referendum gefordertes und vom Parlament daraufhin verabschiedetes neues Wahlgesetz für mehr Stabilität sorgen: Statt des guten Dutzends im Parlment vertretener Gruppen und Grüppchen sollte es nur zwei große Blöcke geben, so daß ganz nach angelsächsischem Vorbild Regierung und Opposition klar voneinander geschieden werden. Gewählt werden sollen – daher die Einführung des Mehrheitswahlrechts für 75 Prozent der Sitze – anerkannte Persönlichkeiten: keine Aussicht für Apparatschiks oder düstere Drahtzieher, die man versteckt auf irgendwelchen Listen in die Volksvertretung schummelt. Herrliche Zeiten waren vorgesehen, zumindest wenn man die schönen Pläne mit der Nachkriegsperiode vergleicht, in der 52 Regierungen verschlissen wurden.

Doch nun, eine knappe Woche vor Präsentation der endgültigen KandidatInnenlisten, sieht alles eher nach einem Desaster aus. Statt der zwei zeichnen sich bereits mindestens drei, möglicherweise aber auch fünf Blöcke ab, statt des auf Dauerhaftigkeit zielenden Zwangs zu Allianzen für die einzelnen Kandidaten gehen die Gruppierungen am Abend nach zähen Verhandlungen Koalitionen ein – um sie am Morgen danach wieder zu verlassen. Schöne Aussichten für die Dauerhaftigkeit der Bündnisse nach den Wahlen.

Den Anfang machte die „Lega Nord“: Ihr Führer Umberto Bossi schloß mit dem Chef des moderaten „Paktes für Italien“, Mario Segni, ein Listenabkommen – um schon wenige Stunden danach alles zu annullieren, weil Segni mit dem Chef der renovierungswilligen, aus der aufgelösten „Democrazia cristiana“ hervorgegangenen Gruppierung „Italienische Volkspartei“ zu Gesprächen zusammengetroffen war. Bossi: „Niemals mit den Vertretern der Partitokratie und der Schmiergeldrepublik.“

Berlusconis Bündnisse

Kurz danach gab er eine Verbindung mit dem Mailänder Medienzaren Silvio Berlusconi und dessen neuer Gruppe „Forza Italia“ (Vorwärts Italien) bekannt, der wie kein Zweiter für die unternehmerische Unterstützung eben jener Partitokratie steht. Berlusconi seinerseits will sich, so seine Wahlaussage bei der ersten Großveranstaltung in Rom am Sonntag, auch für die neue neofaschistische Sammelbewegung „Nationale Allianz“ und die zweite DC-Nachfolgeorganisation, das stockkonservative „Christlich-soziale Zentrum“ öffnen – was Bossi wiederum mit dem Schrei „Niemals mit den Faschisten“ beantwortete.

Derzeitiger Stand (jedenfalls bei Redaktionsschluß): Im Norden geht Berlusconi mit Bossis „Liga“, im Süden mit Gianfranco Fini und seinen Neofaschisten zusammen. Wie aufgrund der kreuzweisen Ausschlüsse später eine Regierung entstehen kann, ist unklar – zumal auch Berlusconi gerade das Hauptprojekt der „Ligen“, die Auftrennung des Einheitsstaates in mehrere nur lose oder maximal föderal verbundene Einzelrepubliken, strikt ablehnt.

Auf der Gegenseite übt sich der „fortschrittliche“ Pool vor allem im Streiten: Die Grünen und die „Demokratische Allianz“ (eine aus der industrienahen „Republikanischen Partei“ abgespaltene Fraktion) verließen das aus acht Gruppierungen gebildete Bündnis, weil sie nachträglich den Eindruck bekamen, daß sie von den anderen, vor allem den gewerkschaftshörigen Ex-Kommunisten der „Demokratischen Partei der Linken“ und den Neokommunisten, beim Programm über den Tisch gezogen worden waren. Dann besannen sie sich wieder eines anderen und kehrten an den Verhandlungstisch zurück, angeblich weil eine Nachbesserung versprochen war – von der aber die Partner nichts wissen wollen.

Wirrwar in der „Mitte“

Doch auch in der Mitte tummeln sich noch allerlei Gruppierungen, manche in ehrwürdiger Tradition, andere eher als Mauerblümchen: Die „Volkspartei“ möchte sich gerne mit Mario Segnis „Pakt für Italien“ verbünden, weiß aber, daß sie alleine mit ihm nicht gewinnen kann. Andererseits scheidet nach Angaben von DC-Chef Martinazzoli eine Allianz mit den Ligen und mit Berlusconi ebenso aus wie mit dem DC-Abspalter „Zentrum“. Es bliebe also nur eine zumindest für nach den Wahlen angepeilte Koalition mit dem Linksblock. Da wären die Linken wohl nicht abgeneigt. Nur möchte Martinazzoli, daß dafür schon vorher die Neokommunisten ausgesperrt werden, wenn möglich auch der DC-Dissident Leoluca Orlando mit seiner Antimafiabewegung „la Rete“, die in der Democrazia cristiana stets das Hauptübel der Nation gesehen hat. Einen ähnlichen Ausschluß hatte auch der konservativere Teil der „Republikanischen Partei“ unter ihrem Leiter Giorgio La Malfa gefordert. Doch als Linksdemokraten-Führer Achille Occhetto das ablehnte, bot er sich dem Berlusconi-Pool an. Das aber hat die Republikaner in eine Spaltung getrieben, die sie wohl das politische Überleben kosten wird.

Zwischen allen turnt dann auch noch der Einzelkämpfer Marco Panella mit einem Häuflein getreuer „Radikaler“ herum. Er will, wenn die Mitte-Parteien nicht dreizehn von ihm eingereichten Referenden sowie der Auflösung des staatlichen Rundfunks RAI zustimmen, alleine antreten.