Der Konservative im Weißen Haus

■ Präsident Clinton legt Haushaltsentwurf vor: Sparen vor allem bei sozialen Programmen / Keine neuen Steuern / Das Defizit ist kleiner als vorhergesagt / Kritik von demokratischen Abgeordneten

Berlin/Washington (taz/wps) – Der US-amerikanische Staat muß sparen, und das tut er besonders bei den sozialen Programmen. Der Haushaltsentwurf für 1995, den Präsident Clinton gestern dem Kongreß vorlegte, bietet das, was die meisten US-Amerikaner wünschen: keine neuen Steuern und dafür brutale Schnitte bei den staatlichen Ausgaben. 1,5 Billionen Dollar (2,6 Billionen Mark) soll die Regierung in dem am 1. Oktober beginnenden Haushaltsjahr ausgeben dürfen, 30 Milliarden sollen eingespart werden.

Die Vorgaben dafür hat sich Bill Clinton selbst gegeben mit seinem Haushaltsgesetz vom letzten August, wonach in fünf Jahren 500 Milliarden Dollar eingespart werden müssen. Nach Clintons Entwurf wird das Haushaltsdefizit 176 Milliarden Dollar betragen, weit weniger als die 302 Milliarden, die bei Clintons Amtsantritt für 1995 vorhergesagt worden waren. Zum Teil erklärt sich diese Reduzierung durch die verbesserte konjunkturelle Lage in den USA, zum Teil durch die bislang niedrigen Zinssätze, durch die der Schuldendienst der Regierung verringert werden konnte. Aber der größte Teil, so rühmte der Direktor des Haushaltsbüros im Weißen Haus, Leon Panetta, seinen Chef, sei tatsächlich auf Clintons Wirtschaftsplan zurückzuführen, in dessen Rahmen er letztes Jahr Ausgaben gesenkt und Steuern erhöht hatte.

115 staatliche Programme, von der Hummer-Forschung bis zum Bibliothekenbau, sollen kurzerhand gestrichen werden. Auch das Verteidigungsministerium muß Federn lassen; 1,5 Milliarden Dollar will Clinton durch den Verzicht auf F-16-Kampfflugzeuge und ein Frühwarnsystem sparen. Die meisten der 115 Programme sind klein, aber jedes hat seine Lobby; die Abgeordneten aus den betroffenen Wahlkreisen werden sich mit Händen und Füßen gegen jegliche Streichungen wehren.

Schon im Vorfeld wurden energische Proteste über Kürzungen bei sozialen Programmen laut. Diese betreffen beispielsweise die Heizkostenzuschüsse für arme Leute, die Zuschüsse zum öffentlichen Nahverkehr oder den Bau von Sozialwohnungen. Gute Gründe für die Abschaffung dieser Programme haben Clintons Leute durchaus. Haushalts-Chef Panetta erklärt dies am Beispiel der Heizkostenzuschüsse: Die Bundesstaaten mit mildem Klima hätten nicht geduldet, daß nur die kalten Nordstaaten Geld bekämen, so daß inzwischen sogar Heizungsgeld nach Hawaii überwiesen werden müsse.

Die Argumente mögen überzeugend sein, doch ob sie auch die gerade in diesem Winter bei Temperaturen um minus 30 Grad frierenden Sozialhilfeempfänger trösten? Clinton wird denn auch gerade von seinen demokratischen Parteigenossen im Kongreß heftigst kritisiert für seine unsoziale Politik. Kürzungen, wie er sie vorschlägt, haben schon seine konservativen Vorgänger durchzudrücken versucht – ohne Erfolg. Gerade weil unter Clinton das Defizit schon leicht geschrumpft ist, rufen manche sogar bereits nach einem Ende des Sparkurses.

Ob Clinton sich im Kongreß auch nur teilweise durchsetzen kann, hängt vor allem davon ab, ob er den Abgeordneten und Senatoren die Ausgabenerhöhungen, die er zugleich plant, schmackhaft machen kann. „Wir mußten die Ausgaben für die veralteten Programme von gestern beschneiden, damit wir das Defizit reduzieren und zugleich mehr in die dringlichsten Aufgaben von morgen investieren können“, begründet Clinton seine Vorhaben. Von den gesparten 30 Milliarden Dollar will er 16 Milliarden umverteilen, vor allem für Bildungsprogramme, Hi- Tech-Förderung und öffentliche Gesundheitsversorgung. Und seinem von der zunehmenden Kriminalität geängstigen Volk will er entgegenkommen: 2,7 Milliarden soll es zusätzlich für die Verbrechensbekämpfung geben. 100.000 neue Jobs will er so schaffen: als Polizisten. Nicola Liebert