Pack' die Rollen ein

■ In Hamburg geförderte Filme bei der 44. Berlinale

Im Hamburger Filmbüro sind die Koffer gepackt, denn am Donnerstag starten die 44. Internationalen Filmfestspiele in Berlin. Die Präsenz von 15 in Hamburg geförderten Produktionen bei der diesjährigen Berlinale deutet darauf hin, daß sich das Hamburger Filmbüro in den vergangenen anderthalb Jahren erfolgreicher darum bemüht hat, die in Hamburg geförderten Filme auch unters Volk zu bringen.

Allerdings startet im offiziellen Wettbewerb nur der - vom Filmbüro vollfinanzierte - Film Verborgene Seiten von Alexander Sukurov - im vergangenen Jahr waren es sensationellerweise gleich drei Produktionen. Doch mit Vorführungen im „Internationalen Forum des jungen Films“, den „Neuen deutschen Filmen im Forum“, beim „Kinderfilmfest“, in der „Neuen deutschen Reihe“ und den „Screenings im Filmmarkt“ sind in Hamburg produzierte, bzw. von Filmbüro-Mitgliedern gedrehte Filme in fast allen Sparten der Berlinale vertreten.

Der in der ehemaligen Sowjet-union bekannt gewordene Regisseur Alexander Sokurov knüpfte beim allerletzten Low-Budget-Festival in Hamburg Kontakt zum Filmbüro und verwirklichte daraufhin sein Projekt Verborgene Seiten nach Motiven russischer Prosa des 19. Jahrhunderts in der Hansestadt. Diese Motive verbindet er mit Stilmitteln des deutschen expressionsistischen Films zu einem Requiem auf das Stadtleben, wo Menschenmassen nur Einsamkeit und Soziophobie auslösen.

Andre Veils Film Balagan portraitiert die Arbeit des israelischen Theaterzentrums Akko, das für sein Stück Arbeit macht frei vom Toitland Europa 1993 beim Sommertheater auf Kampnagel mit dem Kritikerpreis ausgezeichnet wurde. Spätestens Balagan stellt klar, daß Arbeit macht frei... kein Stück über den Holocaust ist, sondern eine Auseinandersetzung mit der israelischen „Staatsreligion Holocaust“, die sich inzwischen wie Opium fürs Volk auswirke. Die Darsteller erzählen, wie die Produktion ihr Leben veränderte, so wurde Madi Smadar Maayan, eindrucksvolle Darstellerin eines überlebenden KZ-Opfers, während der Arbeit magersüchtig und mußte sich medizinisch behandeln lassen.

In die Zeit des Zweiten Weltkriegs blickt Wolfgang Bergmann in dem Dokumentarfilm Der Reichseinsatz. 30 Prozent der arbeitenden Bevölkerung waren Zwangsarbeiter. Die pragmatische, menschenverachtende Sichtweise der damaligen Personalplaner läßt, ohne daß der Film direkt darauf verweist, herbe Rückschlüsse auf die heutige Lage ausländischer Arbeitnehmer in Deutschland zu.

Satirisch widmet sich Stefan Dähnert den immernoch virulenten ekklesiogenen Neurosen in seinem Film Das letzte Siegel, der nach der Berliner Vorstellung wie die anderen Hamburger Filme mit Hilfe des Filmbüros demnächst auch in Hamburger Kinos zu sehen sein wird. jk