40.000 Arbeitslose im Sommer

■ Düstere Prognose des Bremer Arbeitsamtes / AA-Chef Hawel: Arbeit teilen

Die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt in Bremen werden immer trüber. Bremens Arbeitsamtsdiretor Christian Hawel geht davon aus, daß bis zum Sommer 40.000 Bremerinnen und Bremer registrierte Arbeitslose sein werden. Im Januar zählte das Bremer Arbeitsamt 34.600 Arbeitslose (12,2 Prozent), rund 4.000 Personen mehr als im Vergleichsmonat des Vorjahres, das entspricht einer Steigerung von 13,6 Prozent.

„Wir müssen davon ausgehen, daß wir 1994 bei der Arbeitslosigkeit auf sehr einem sehr hohem Niveau bleiben“, erklärte Hawel gestern bei der Vorstellung der neuen Arbeitsmarktdaten. Das Arbeitsamt Bremen ist unterteilt in die Bezirke Hauptamt (Arbeitslosenquote 12,7 Prozent), Bremen-Nord, (13,3 Prozent) und Osterholz-Scharmbeck (9,2 Prozent)

Besonders schlimm: Auffällig viele Jugendliche (212) sind im vergangenen Monat direkt von der Ausbildung in die Arbeitslosigkeit gerutscht. (Zum Vergleich: Im Dezember waren es noch 54 Jugendliche.) Und: Der überwiegende Teil der neuen Arbeitslosen kommt direkt aus den Betrieben, während die neuen Arbeitslosen im letzten Jahr sich überwiegend aus Auswanderern rekrutierten. 3.400 neue Arbeitslose wurden „in der Wirtschaft freigesetzt“, so lautet die offizielle Sprachregelung für Kündigungen. Getroffen hat es nach Angaben des Arbeitsamtes vor allem den Handel, Dienstleister und den Bereich Nachrichtentechnik/Verkehr.

Mit aktuell rund 1.300 offenen Stellen ist das Angebot, das das Arbeitsamt für seine Klienten bereit hält, gegenüber dem Vorjahresmonat um gut 40 Prozent gesunken, die Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen fielen um 23 Prozent auf rund 4.100 zurück, der ABM-Markt ist mit minus 36 Prozent weggebrochen (Vergleich: Jan. 1993). „Früher konnten wir mit diesen Maßnahmen etwa 1,5 bis zwei Prozent der Arbeitslosenquote drücken, heute ist das nicht mehr möglich“, erklärte Hawel. Außerdem ist im Bereich Ausbildung sowohl im Handwerk als auch bei der Industrie kräftig gekürzt worden. Insgesamt fiel die Zahl der registrierten Ausbildungsplätze im letzten Jahr von 6.200 auf 4.800, erklärte der für Ausbildung zuständige Abteilungsleiter beim Arbeitsamt, Hans-Jürgen Lüscher.

Die einzige Chance auf dem Arbeitsmarkt sieht Hawel in einer Umstrukturierung von vollen auf Teilzeitstellen. „In Holland sind rund 30 Prozent aller Stellen gesplittet, bei uns liegt die Quote derzeit bei 15 bis 18 Prozent“, erklärte Hawel. „Wenn wir holländische Zahlen hier in der Bundesrepublik erreichen könnten, würden wir bundesweit rund zwei Millionen Arbeitslose weniger haben.“ Betriebszeiten-Management heißt das passende Schlagwort dazu, das vor allem von den Tarifpartnern ausgehandelt werden müßte. Außerdem forderte Hawel die Arbeitgeber auf, für Auszubildende ein eigenes Stundenkontingent vorzuhalten, damit ihre Berufsperspektive langfristig gesichert würde. „Arbeitslosigkeit heißt immer auch Dequalifikation, und wer ein Jahr draußen ist, hat vor allem in den technischen Berufen kaum noch Chancen auf den Anschluß.“

Nur für begrenzt wirksam hält Hawel den Vorstoß des Bremer Staatsrats im Arbeitsressort, Dr. Arnold Knigge, Arbeitslosengeld als Lohnkostenzuschuß zu gewähren. „Möglicherweise ist das bei einer bestimmten Zielgruppe wie den Langzeitarbeitslosen sinnvoll“, meint Hawel. Prinzipiell sei eine derartige „Subventionierung“ aber problematisch. mad