■ Normalzeit
: Gespurte Grenzsucher mit bitteren Erfahrungshunden

Da wäre zum einen die gelernte Drahtzieherin und Arbeitskampf-Aktivistin des Belfa- Gerätebatteriewerks, Sylvia, zu nennen. Sie lebt mit einem „Partner“ zusammen, der im Suff nicht weinerlich oder geschwätzig wird, sondern still und aggressiv. Unlängst schlug er sie sogar zusammen, was Rippenbrüche, eine Gehirnerschütterung und alles mögliche zur Folge hatte.

Als sie wieder gesund war, wollte sie sich zwar nicht von ihm trennen, aber doch was für mehr Sicherheit neben ihm tun. In der Zeitung stieß sie auf eine Annonce, mit der eine Kampfhund- Züchterin bei Braunschweig junge Welpen „preisgünstig“ anbot. Sylvia nutzte den letzten Tag ihrer Krankschreibung und fuhr „kurzerhand rüber“.

Sie fand dann in dem Wurf tatsächlich auch einen „niedlichen“ Kampfhund-Rüden. Sie kaufte ihn. Dazu mußte sie sich jedoch verpflichten, mit ihm gelegentlich eine Kampfhunde-Prämierung zu besuchen, damit die Züchterin der Jury die Zeugungsleistung der Elterntiere sinnfällig unter Beweis stellen kann. Dies geschah dann auch Ende des Jahres, und zwar in Unna, wo dann jedoch nicht nur die beiden Kampfhund-Elternteile prämiert wurden, sondern, zur großen Überraschung von Sylvia, auch gleich ihr Jungrüde: und zwar als bester Kampfhund des Jahrgangs.

Dies bezog sich auf sein Aussehen und Benehmen. Seine noch nicht vorhandene Kampffähigkeit stand bei der Preisvergabe nicht zur Debatte, es ging den Verbandsfunktionären eher um „Rassereinheit“, die Sylvia ziemlich wurscht war und ist. Nichtsdestotrotz hat sich dadurch ihr Leben „total verändert“. Laufend ist sie nun mit ihrem Hund unterwegs, wobei das Kampfhundmäßige sie dabei mehr und mehr stört: „Die Leute haben zuviel Angst!“

Ganz anders sieht es dagegen bei Bernd, dem früheren Chefkoch des Gerätebatteriewerks, aus, der jetzt Chef der Reinigungstruppe ist. Er züchtet Lawinensuchhunde, das heißt, er richtet sie ab. Der Vater züchtet, und Mutter und Tochter sind für das Futter, die Aufzucht und die Welpen zuständig: „Jeder in der Familie hat seine Aufgabe. Wir sind auch alle im Zuchterverein aktiv. Bei unserer alten Staffel in Berlin-Buch war sogar der Chefredakteur der Zeitung Der Hund mit dabei. Das war die Standardzeitung. Wir waren das Aushängeschild der DDR. Aber zum Erdbebenunglück in Mexiko ließen sie uns trotzdem nicht, sie hätten zu viele Funktionäre mitschicken müssen. Wenn Offiziere von den sozialistischen Ländern kamen, mußten wir antreten und zeigen, was unsere Hunde konnten. Dementsprechend haben wir Freistellung durch unseren Betrieb bekommen.

Irgendwann war dann ja die Vereinigung gewesen, und die ersten Westberliner kamen zu uns, aus Tegel. Das sah alles ganz freundschaftlich aus, bis wir feststellten, daß unsere Hunde immer mehr in den Hütten geblieben sind und wir uns in solche Löcher als ,verletzte Personen‘ legen mußten. Das haben wir uns eigentlich noch gefallen lassen.

Bis ein noch freundlicherer Herr ankam, aus Frohnau, der sagte, er wäre der Mann mit der großen Kohle. Da reichte es. Ich hab' gesagt: ,Mensch Leute, wir haben doch auch 40 Jahre lang Hunde gezüchtet.‘ Jedenfalls, wir haben dann den Anschluß an den Westberliner Züchterverband nicht mitgemacht. Unser neuer (Ost-)Verein ist jetzt zwei Jahre alt, und wir mußten sogar schon einen zweiten Platz suchen wegen dem Zulauf. Bei uns geht es nämlich nicht so stur rassefanatisch zu, wir lassen prozentual auch Mischmaschhunde mitmachen, das heißt welche ohne Papiere.“ Helmut Höge

Wird fortgesetzt