Von der Last des Leihens

■ Sieben Jahre und sechs Monate Haft für Detlef P., der zweimal dieselbe Sparkassenfiliale in Zehlendorf überfallen hatte - um seine Schulden loszuwerden

Mit hängenden Schultern saß der 32jährige Angeklagte Detlef P. vor seinen Richtern. „Ich habe mich nie bereichert, sondern immer versucht, anderen was zugute kommen zu lassen“, schluchzte er, von einem Weinkrampf geschüttelt. Detlef P. ist ein Bankräuber. Im vergangenen Jahr überfiel er innerhalb weniger Wochen zweimal dieselbe Sparkassenfiliale in Zehlendorf und erbeutete dabei insgesamt 55.000 Mark. Beide Male hatte er die Kassiererin mit einer durch die Kassenöffnung geschobenen Waffe bedroht. Am Montag wurde Detlef P. von der 17. Strafkammer des Landgerichts wegen schwerer räuberischer Erpressung zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

Detlef P. ist ein sogenannter Wiederholungstäter. Mitte der achtziger Jahre hatte er schon einmal sieben Jahre Knast für zwei Überfälle kassiert, die er mit einem Freund begangen hatte. Die Haftzeit nutzte er jedoch sinnvoll. Erst holte er seinen Hauptschulabschluß nach, dann machte er eine Lehre als KFZ-Schlosser. Die Gesellenprüfung war ihm so wichtig, daß er dafür sogar auf den Freigang vor der Entlassung verzichtete. Auch, als er 1990 auf freien Fuß kam, war dem jungen Mann das Glück hold. Er fand eine mit 5.000 Mark brutto überaus gut bezahlte Anstellung in der Lagerverwaltung einer Autofirma. Doch schon nach einem Jahr wollte er höher hinaus und versuchte, sich bei Leipzig mit einem Kompagnon selbständig zu machen. Diesmal liefen die Geschäfte jedoch nicht so, wie sie laufen sollten. Und bald darauf kehrte er zu seiner Frau und seinen drei Kindern nach Berlin zurück.

Von nun an ging es bergab. Detlef P. wurde arbeitslos. Da die Familie einen gewissen Lebensstil gewohnt war, lebte man fortan auf Pump – mit dem Geld verschiedener Banken. Die P.s überzogen ihre Konten mittels Kreditkarten, kauften ratenweise einen Mercedes, liehen sich von Freunden Geld. Bald war der Schuldenberg auf 50.000 Mark angewachsen.

Eine Weile konnten sie die Gläubiger noch vertrösten, doch dann ließen sich die Forderungen nicht mehr aufschieben. Detlef P. trug die Last allein. „Meine Frau ist sehr jung. Ich habe die Rolle übernommen, daß ich das regele“, sagte er vor Gericht. In schlaflosen Nächten brütete er die Idee aus, eine Bank zu überfallen. Eine kleine, wenig besuchte Sparkassenfiliale in Zehlendorf erschien ihm günstig.

Er trank sich Mut an und wartete mit Sonnenbrille auf einer Parkbank vor der Filiale. „Ich habe vier Anläufe gebraucht, bis ich in der Lage war, zum Schalter zu gehen“, sagte er. Es funktionierte. Mit der Beute beglich er Bankschulden, Telefonrechnungen und Mietzahlungen. Auch die Justizkasse erhielt die überfällige Geldbuße für ein Verkehrsvergehen. Der Rest des Geldes, so der Angeklagte, ging für „Essen, Kleidung und Kohlen“ weg.

Anfang Oktober war in der Haushaltskasse wieder Ebbe. Also schritt Detlef P. erneut in der kleinen Zehlendorfer Filiale zur Tat. Wieder funktionierte alles reibungslos – allerdings auch die Viedokamera, die beim ersten Mal versagt hatte. Und so fand sich das Foto des Bankräubers bald danach in den Zeitungen. „Ich habe alle Dinge, die die Familie anbelangen, schnell bezahlt, weil ich damit rechnen mußte, verhaftet zu werden“, erzählte Detlef P. Doch es dauerte noch über eine Woche, bis das Sondereinsatzkommando eines Morgens seine Wohnung stürmte. „Sie haben einen Doppelgänger, der mit Ihnen unwahrscheinliche Ähnlichkeit hat und der einmal auf Staatskosten übernachten mußte“, lüftete der Vorsitzende Richter Hans-Christian Luther jetzt das Geheimnis.

Detlef P. legte vor Gericht ein umfassendes Geständnis ab. Daß er dabei mehrmals anfing zu weinen, rührte die Richter. Trotzdem verurteilte ihn die Kammer zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft. Weniger lasse das Strafgesetz in so einem Fall „leider“ nicht zu, bedauerte Luther. Der Staatsanwalt hatte zehn Jahre Haft gefordert. Der Angeklagte, so seine Begründung, habe sich „in keiner echten Notlage befunden“. Schließlich seien 50.000 Mark Schulden heutzutage nicht viel. „Ich möchte nicht wissen“, ereiferte er sich, „wie viele Menschen sich mit einem deutlich höheren Schuldenberg straffrei bewegen. Und denen es viel dreckiger geht.“

Den Vorschlag des Staatsanwalts, Detlef P. hätte doch nur eine Schuldnerberatungsstelle aufsuchen müssen, bezeichnete der Verteidiger als „graue Theorie“. Die Teilzahlungsbanken lebten doch davon, ihren Kunden Überziehungskredite anzudrehen. Das gesamte Wirtschaftssystem sei „auf Pump“ ausgerichtet. „Wenn der Staat Schulden macht, ist es okay“, empörte sich der Anwalt. „Aber bei einem Menschen wie dem Angeklagten heißt es, Junge, du solltest mal eine Beratungsstelle aufsuchen.“ Plutonia Plarre