: Hiobsbotschaft für die Menschen dieser Stadt
■ Neue Arbeitslosenzahlen für Januar / 217.243 Menschen ohne Job / Deutliche Unterschiede zwischen West- und Ostberlin
Klaus Plaschnik dachte an einen Schildbürgerstreich. Das Arbeitsamt hatte ihm am 18. Januar eine ABM-Stelle im Spandauer Gartenbauamt zugesagt. Als er am 1.Februar den Dienst antreten und seinen Vertrag unterschreiben wollte, teilte man ihm mit, daß im öffentlichen Dienst ein Einstellungsstopp erlassen worden war. Das habe die Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen den Ämtern bereits am 19. Januar mitgeteilt. Dummerweise wurde Plaschnik vom zuständigen Arbeitsamt nicht in Kenntnis gesetzt. Guten Glaubens kündigte er den alten „Teilzeitvertrag“. Seit dem Streich hat Plaschnik keinen Job mehr.
Heute wird er erfahren, daß er einer von 217.243 erwerbslosen BerlinerInnen ist. Das zeigen die neuesten Zahlen des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg. Die Arbeitslosenquote betrug im Januar 13,7 Prozent. Gegenüber Dezember 1993 ist sie damit nochmals um fast einen Prozentpunkt gestiegen. Deutliche Unterschiede zeigt die Statistik zwischen östlichen und westlichen Bezirken der Hauptstadt. Westberlin verzeichnete im Januar eine Erwerbslosenquote von 13,2 Prozent, ein deutliches Plus im Vergleich zum Vorjahresmonat (12,4 Prozent). Ein Negativrekord seit 1961, sagen die Zahlenmeister. Anders im Ostteil: Im Januar 1993 wurde der Anteil mit 15,4 Prozent beziffert, sank bis Januar diesen Jahres dann auf 14,5 Prozent ab. Dennoch ging dort die Zahl der offenen Stellen im Vergleich zum Dezember 1993 auf 5.107 zurück.
„Anhaltende Konjunkturschwäche und jahreszeitlich bedingte Einflüsse“ nennen die Statistiker als Hauptaspekte. Davon betroffen ist vor allem der Dienstleistungsbereich und das verarbeitende Gewerbe: durch Rückgang der Touristenzahlen und damit Flaute im städtischen Hotelsektor, durch Abzug vieler Betriebe, seitdem die Berlinförderung gestrichen wurde.
Kritik äußerten gestern Bündnis 90/Grüne. „Der Senat hat sich von der aktiven Arbeitsmarktpolitik verabschiedet“, sagte Kerstin Herbst, Mitarbeiterin für Beschäftigungspolitik der Fraktion, gegenüber der taz. Statt dessen ermögliche er es Privatfirmen, sich über ABM billig Arbeitskräfte zu beschaffen. Auch die zuständige Senatsverwaltung für Arbeit äußerte Bedenken, nannte jedoch ein anderes Problem. Von der Philosophie her sei der Paragraph 249 H des Arbeitsförderungsgesetzes zu befürworten, die Umsetzung weise jedoch viele Schwachstellen auf, meinte die Pressesprecherin der Verwaltung, Bettina Martin. Der Paragraph, nach dem Unternehmen vom Bund mit 15.200 Mark für Lohnkosten unterstützt werden, müsse unbedingt auch in Westberlin Anwendung finden. „Der Paragraph muß auch auf neue Beschäftigungsfelder wie Wissenschaft und Kultur ausgeweitet werden“, sagte Martin. Zudem sei die Förderung durch den Bund zu gering: Ein dicker Batzen für die Lohnkostenzuschüsse werde auf Berlin abgewälzt.
Die Europäische Kommission hat nun mitgeteilt, daß das Land Berlin von 1994 bis 1996 mit 312 Millionen Mark zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft und der „wirtschaftsnahen Infrastruktur“ unterstützt werde. Doch die Probleme sind nicht nur monetärer Art. Mit Besorgnis schaut die Arbeitssenatorin in die Ostbezirke Berlins. Dort liegt die Zahl der arbeitslosen Frauen bereits bei 16,1 Prozent. „Die Arbeitsmarktzahlen sind eine Hiobsbotschaft für die Menschen dieser Stadt“, sagte Christine Bergmann (SPD). Zu oft werde vergessen, daß sich hinter den trockenen Zahlen Einzelschicksale verbergen. Zum Beispiel das von Klaus Plaschnik. Tomas Niederberghaus
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