Für die Verzögerungen gibt es viele Gründe

■ Autonomie-Gespräche in Kairo / Vorwürfe an das israelische Militär

Tel Aviv (taz) – Nun verhandeln sie wieder. Yassir Arafat, der Führer der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), und der israelische Außenminister Shimon Peres eröffneten am Montag abend in der ägyptischen Hauptstadt Kairo eine weitere Gesprächsrunde über die Umsetzung des Gaza-Jericho-Abkommens. Dabei geht es um die Einzelheiten der Übergabe von Teilen des besetzten Gaza-Streifens und der Stadt Jericho an eine lokale palästinensische Selbstverwaltung. Aufgrund der Absprache zwischen der PLO und Israel hätte die Übergabe der Verwaltung des Gaza- Streifens und der Region Jericho und Regruppierung israelischer Truppen bereits vor fast zwei Monaten beginnen sollen. Differenzen über eine Reihe von prinzipiellen Fragen und den damit zusammenhängenden praktischen Details wie beispielsweise die Frage der Grenzkontrollen oder die Ausdehnung der Enklave von Jericho konnten trotz wiederholter Lösungsversuche der Verhandlungsteams in Taba, Kairo, Oslo, Paris und Davos bislang nicht beseitigt werden.

Die israelische Seite wirft Arafat vor, er versuche jetzt schon Symbole einer zukünftigen palästinensischen Souveränität in die in Oslo festgelegten Regeln für eine begrenzte Autonomie „einzuschmuggeln“ und die fortbestehende israelische Vormachtstellung in allen Sicherheitsfragen nicht ernstlich zu respektieren. Israelis beschweren sich außerdem darüber, daß den Palästinensern die nötige Verhandlungserfahrung und -technik fehle.

Andererseits machen die Palästinenser den israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin und sein ständiges Taktieren, das zum Teil durch die innenpolitischen Auseinandersetzungen motiviert ist, für das endlose Hinziehen der Verhandlungen verantwortlich. Wiederholt hat es zudem Beschwerden beider Seiten gegeben, daß bereits getroffene Vereinbarungen von der Gegenseite wieder rückgängig gemacht wurden.

Tatsache ist, daß die Führer im israelischen wie auch im palästinensischen Lager ähnliche Schwierigkeiten beim Fassen von Beschlüssen haben. In beiden Fällen wollte bisher immer die höchste Instanz, also Rabin oder Arafat persönlich, die letzte Entscheidung in allen Einzelheiten für sich beanspruchen. Hochqualifizierte palästinensische und israelische Verhandlungsteams mit wichtigen Persönlichkeiten an der Spitze sahen sich immer wieder gezwungen, alle Abmachungen, jedes Detail vom „Chef“ in Jerusalem oder Tunis bestätigen zu lassen. Und solche Bestätigungen von oben blieben oft aus. In anderen Fällen wurden die Vereinbarungen nachträglich so verändert, daß sie für die Gegenseite nicht mehr annehmbar waren.

Sowohl auf der israelischen als auch auf der palästinensischen Seite spielen Prestigefragen und Rivalitäten eine Rolle. Außerdem fühlen sich maßgebliche Politiker in jeder Phase erneut gezwungen, Rücksicht auf „ihre“ eigene öffentliche Meinung zu nehmen, auf die eigene Koalition, auf kritische Reaktionen oder den Widerstand „ihrer“ Opposition.

In Israel wurde in den letzten Tagen auch in Regierungskreisen Kritik an der Methode laut, mit der Regierungschef Rabin das oberste Militärkommando in den politischen Verhandlungs- und Entscheidungsprozeß miteinbezieht, sichtlich mit der Absicht, die israelische Verhandlungsposition „härter“ zu gestalten. Dies steht im Gegensatz zur Politik von Außenminister Peres, der eine konzessionsbereitere Haltung einnimmt. Ein Kommentator der Zeitung Haarez geht so weit, zu fragen, ob es sich dabei vielleicht um einen „schleichenden Putsch“ handelt. Bereits zuvor hatte die meistgelesene Abendzeitung Jediot Ahronot in großer Aufmachung berichtet, daß der israelische Stabschef angeblich „eine Krise mit Arafat heraufbeschwören möchte“. Amos Wollin