Großmärkte fressen Einzelhandel

■ Berlins Arbeitsplätze durch Land-Großmärkte gefährdet

Ein Arbeitsplatz in einem der Großmärkte rund um Berlin ersetzt zweieinhalb Arbeitsplätze im lokalen oder regionalen Einzelhandel. Oder: In einem großen Einkaufszentrum werden in einem Jahr 600.000 Mark pro Beschäftigter umgesetzt, in kleinen Berliner Geschäften nur 320.000 Mark. Mit diesen Rechenspielen warnte Brandenburgs Umweltminister Mathias Platzeck gestern auf einer Veranstaltung der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) vor der Genehmigung weiterer Einkaufszentren im Berliner Umland. „Das Arbeitsplatzargument gilt für den betreffenden Ort, aber nicht für die Gesamtbilanz“, meinte Platzeck.

Vor den Toren der Hauptstadt werden neben Waltersdorf acht weitere Konsumpaläste entstehen. Berlins Wirtschaftssenator Norbert Meissner wies im Berliner Congress Center darauf hin, daß in den nächsten Jahren nicht nur Berliner Betriebe durch die „Kaufkraftabwanderung ins Umland gefährdet werden“, sondern vor allem die Existenzgründer in den brandenburgischen Städten. Sowohl Meissner als auch Platzeck versicherten, keine weiteren Großmärkte mehr zu genehmigen.

Im vergangenen Jahr wurden im westdeutschen Einzelhandel über 30.000 Arbeitsplätze abgebaut. In den neuen Bundesländern verloren rund ein Drittel der Beschäftigten in diesem Bereich den Job. Franziska Wiethold vom HBV- Vorstand befürchtet, „daß dieser Prozeß auch in Berlin weitergeht“. Das Sterben der kleinen Läden stehe im direkten Zusammenhang mit der Zunahme der Verkaufsfläche der Konzerne. „Je größer ein Betrieb, desto weniger Beschäftigte, desto weniger Kosten, desto billiger das Angebot“, so Wiethold. Die HBV Berlin fordert, daß der Entwicklung des Einzelhandels in Städten Vorrang vor großen Einkaufszentren eingeräumt werde. Großmärkte außerhalb der Stadt sollten auf Sortimente verzichten, die sinnvoller in den Städten angeboten werden können. Anja Sprogies