Idealfunk aus London

■ Satellitenradio WRN: Neues Weltinformationsforum - ohne Deutsche Welle

Mit dem Glockenschlag des Big Ben wurde im Oktober 1993 eine neue Rundfunkära eingeläutet. Ein Satellitenradio mit dem verheißungsvollen Namen World Radio Network (WRN) ging auf Sendung. Ausgangsidee des Projektes: „globale Perspektiven“ zu schaffen, um das verkrustete Nord-Süd- Gefälle der Weltinformationsordnung aufzubrechen.

Mit dem Slogan „Die Nachricht direkt von der Quelle“ gehen die Londoner WRN-Macher auf Hörerfang. Die Idee ist genial und relativ einfach. Englischsprachige Programme „kleiner“ Auslandsdienste werden via Satellit Astra 1 B (Kanal 22, 11.538 GHz vertikal, Tonunterträger 7,74 MHz) als MTV-Tonunterträger ausgestrahlt. Eigentlich besteht das Programm nur aus dem rebroadcasting anderer Dienste, eigene redaktionelle Beiträge halten sich in Grenzen. Das Besondere dieses Weltinformationsforums: Einige Sender waren bisher nicht in Europa via Kurzwelle zu empfangen, und andere, wie Radio Australia, hatten ihre Euro-Aktivitäten eingestellt. Neben einem geringen Musikanteil dominiert die direkte Information aus den jeweiligen Sendeländern – ein „CNN“ des Hörfunks: WRN erreicht etwa 40 Millionen Hörfunk-Haushalte in Europa, Nordafrika sowie dem Nahen Osten.

Für die Programmfreiheit der Radiomacher spricht auch die Werbeunabhängigkeit. Das Unternehmen trägt sich durch Kostenaufwendungen der dort aktiven Programme. Rund um die Uhr strahlt WRN im Wechsel die Sendungen von zunächst zwölf Rundfunkanstalten aus, weitere werden folgen. Auch eine steigende Zahl von Mittelwellen- und UKW-Lokalsendern in Europa machen von WRN Gebrauch.

Beteiligte Stationen sind u.a. Radio Australia, Radio Korea, Radio Vatikan, Radio Schweden. Radio Telefis Eirean und YLE Radio Finnland zählen nicht eben zu den größten Auslandsdiensten dieser Erde – doch nun bietet sich die Möglichkeit, via Satellit diese „Exoten“ ins Wohnzimmer zu holen. Auch vermeintlich Große wie National Public Radio (NPR), der nicht-kommerzielle US-Sender, gehören mit der guten alten BBC zu den Initiatoren und Partizipatoren des neuen Idealfunks.

Kommerzielle Unternehmen dürfen nicht teilnehmen. Jeff Cohen, Redakteur bei WRN: „Wir wollen uns auf die kleinen Auslandsdienste konzentrieren, und eine Ausweitung zu den privaten Sendern ist nicht beabsichtigt. Wir wissen um die finanziellen Probleme der Sender, und deshalb geben wir uns bescheiden.“ Außerdem müsse WRN sonst Geld für das rebroadcasting bezahlen. WRN expandiert: Im März sollen ein deutsch- und spanischsprachiger Dienst aufgenommen werden, auch Programme für japanische Touristen in europäischen Hotelnetzen sind geplant.

Enttäuscht zeigt sich Redakteur Cohen über das Desinteresse des deutschen Auslandssenders Deutsche Welle. Er räumt jedoch ein, daß die Deutsche Welle wohl über genügend Sendekapazitäten in Europa verfüge und deshalb auf WRN angewiesen sei. Der Kölner Sender bestätigt dies: Man sei in Europa auf „zwei Satelliten präsent“, man wolle keine „Überversorgung“.

Doch wo bleibt die Solidarität? WRN-Mann Cohen unterstreicht die Integrationsfunktion seines Senders: „Denn wie wäre es sonst möglich gewesen, der BBC zu Radioausstrahlungen in UKW-Qualität in Helsinki zu verhelfen?“ Erbil Kurt

Mehr Informationen über WRN auf Seite 222 des Videotext-Service von MTV.