Die Frauen riechen zu sehr nach Suppe

■ In „Liebling, hältst du mal die Axt“ von Thomas Schlamme spielen Harriet und Charlie eine Weile Doris Day und Jack Lemmon. Diesmal alles ohne Heavy Metal

Mike Myers mehr mittelständisch: Ohne Dana Carvey, den Couchpotato-Kumpel aus „Wayne's World“, trägt er plötzlich Sakko statt T-Shirt, Seitenscheitel statt Nackenspoiler, Cabrio statt Schrottkiste. Der Typ, den er in „Liebling, hältst du mal die Axt“ spielt, hört auf den schönen Namen Charlie McKenzie, lebt im bohemistischen San Francisco, hat ein eigenes Apartment, eine eigene Geschichte (schottischer Einwanderersohn) und sogar echte Neo-Mittelstandsgefühle.

„Beziehungsprobleme“ zum Beispiel: Statt vor dem Fernseher Heavy Metal zu hören, hängt Charlie abends im Cappucino- Club in der Jack-Kerouac-Road ab, wo er in einer Art kubistischem Bebop-Vortrag diverse Wege, seinen Lover zu verlassen, auf die Bühne bringt. Trennungstaktiken werden vorgejazzt, die man je nach Einfühlungsgrad „paranoid“ oder „idiosynkratisch“ nennen könnte: Die Frauen an seiner Seite sind für Charlie entweder heimtückische Katzenquälerinnen, mischen irgendwie bei der Mafia mit oder riechen ihm einfach „zu sehr nach Suppe“.

Daß so jemand sich nun ausgerechnet in Harriet, die energische Betreiberin eines Metzgerladens, verknallen muß, klingt nach einer etwas müden Wir-haben-unseren- Freud-auch-gelesen-Drehbuch- Idee, gibt jedoch Anlaß zu allerhand Kennenlern-Slapsticks: Verliebte Blicke über Leberscheiben, Vorlust an Schweinehälften, Symbolisches im Naturdarm, Angriff der Killer-Steaks und dergleichen mehr – was man mit rohem Fleisch doch alles machen kann! Aber ganz ohne Arg, „harmlos“ eingetaucht in den Blödsinn junger Liebe. Charlie und Harriet (Nancy Travis) spielen Doris Day und Jack Lemmon und gleichzeitig Charlie und Harriet, die Doris Day und Jack Lemmon spielen – was den Film eine Weile ganz gut voranbringt.

Kurz bevor er sich selbst zur abendfüllenden Sitcom verläppert, kommt dann doch noch einmal etwas Story auf. Indem Harriet sich bei der Hochzeit in der Lage zeigt, „Only You“ auf russisch zum besten zu geben, liefert sie ein untrügliches Indiz dafür, daß es sich bei ihr um die berüchtigte Axtmörderin handelt (von der Charlie im Revolverblatt seiner Eltern gelesen hat). Es kommt zum Finale im Honeymoon-Hotel des Grauens, und daß dieser Showdown Ähnlichkeit mit diversen noch lebenden Filmen hat, ist gewiß kein Zufall. So wie Regisseur Thomas Schlamme einerseits bemüht ist, die brennbare Mischung aus Lust und Angst, mit der er hantiert, im versöhnlichen Komödienrahmen zu halten (nichts platzt auf oder blutet aus), so konsequent parodiert er auch den mythischen Ernst der „Basic Instinct“-Kultur. Niemand muß für die Phantasien sterben, die die Protagonisten aneinander entwickelt haben, noch nicht einmal, als die Axt, die vor der Ehe steht, tatsächlich geschwungen wird.

Der lustige Sieg der Familienwerte über das Böse da draußen (und da drinnen) entwickelt sogar Ansätze einer post-Reaganschen Humanmoral: Give eispickelschwingende Bestien a chance!

Der Schreiber dieser Zeilen hat sehr gelacht, „Wahrheit“-Redakteur Wegmann, der auch mit war, fand's gar nicht komisch. Na, dieses „rabenschwarze Kinovergnügen“ (Verleihwerbung) ist halt eher für Studi-Typen wie mich gemacht, Leute mit Hang zum Versöhnlichen, die sich außerdem prinzipiell den Nachspann anschauen – und sei es nur um rauszukriegen, daß die jingling jangling Beat-Melodie, die die ganze Zeit lief, von den Boo Radleys stammt. Wieder was dazugelernt. Thomas Groß

„Liebling, hältst du mal die Axt“. Regie: Thomas Schlamme, mit: Mike Myers, Nancy Travis, Anthony LaPaglia, Amanda Plummer u.a. USA 1994.