„Wir sind doch keine Hasardeure“

■ HSV-Präsident Ronny Wulff verteidigt Millionenverträge und verhandelt mit Volleyballern

Gehetzt beantwortete der Mann im hanseatisch-blauen Zweireiher die Fragen der Journalisten. Im Anschluß an die obligatorische Pressekonferenz anläßlich des Heimspiels gegen den SC Freiburg hatte HSV-Präsident Ronald Wulff noch Verhandlungen mit den Verantwortlichen des 1. VC Hamburg zu führen. Die Volleyballer, die vor zweieinhalb Jahren aus dem HSV herauskomplementiert worden sind, wollen wieder als Sparte des hanseatischen Renommiervereins firmieren - nachdem der 1 VCH am Montag Konkurs anmelden mußte. Und beim HSV scheint nach dem Präsidenwechsel im November – als der Dentaltechniker „Ronny“ Wulff den Versicherungshökerer Jürgen Hunke ablöste, – wieder die Bereitschaft zu bestehen, Geld zu investieren.

„Wir sind aber keine Hasardeure“, wehrt sich Ronald Wulff gegen Vorwürfe, daß er das Vereinskapital verpulvert. „Wir können uns in dieser Stadt mit ihrem verwöhnten Publikum einen Rückschritt nicht erlauben. Mittelmaß wäre der Tod des Profifußballs in Hamburg.“ Mit diesen Worten rechtfertigte der 49jährige Wulff die kostspieligen Weiterverpflichtungen der Leistungsträger Karsten Bäron und Yordan Letschkow, deren Gehälter in den nächsten Jahren nahe der Millionen-Grenze liegen.

„Wenn wir Bäron und Letschkow transferiert hätten, wären wir die Trottel gewesen“, sagte der Präsident. Er habe den eingeschlagenen Weg nicht verlassen. 90 Prozent der von ihm bei seiner Wahl angekündigten Ziele seien mit den Vertragsverlängerungen von Möhlmann (bis 1996), Manager Heribert Bruchhagen (unbefristet), Bäron (bis 1997) und Letschkow (bis 1998) erreicht. „Wir verstehen die gestiegenen Zuschauerzahlen als Aufforderung der Fans, diese Mannschaft zu halten“, sagt Wulff, assistiert von Benno Möhlmann, der außer auf eine Profi-Kick-Karriere noch auf ein paar Semester BWL-Studium zurückblicken kann.

Beide begründen diese Änderung in der Investitionsbereitschaft mit dem wirtschaftlichen Erfolg der Ligamannschaft. Denn: Der HSV liegt in dieser Saison mit einem Schnitt von 31.000 Zuschauern um rund 10 000 über den Kalkulationen und hat damit ein Umsatzplus von drei Millionen Mark erzielt. „Das Publikum hat diese Mannschaft angenommen. Es ist richtig, ihr das Geld zurückzugeben, das sie zusätzlich eingespielt hat“, erklärte Möhlmann, der sich mit dem HSV mittelfristig wieder in der Spitze festsetzen will.

Je teurer die Mannschaft, umso größer der Erfolgszwang: Doch Möhlmann stapelte zwei Tage vor dem Heimtreffen gegen den SC Freiburg wie üblich tief. Der Trainer spürt weiter keinen Druck, unbedingt einen UEFA-Cup-Platz schaffen zu müssen. Und er reagierte sogar genervt, als er auf eine Umfrage des Fernsehsenders SAT 1 angesprochen wurde, nach der seine Eleven von den Zuschauern am Saisonende den 3. Tabellenplatz innehaben werden.

„Eine attraktive Mannschaft erhöht natürlich die Chancen bei der Sponsorensuche“, äußert sich Wulff zu der zusätzlichen Motivation Letschkow und Bäron dermaßen viel Geld in den Rachen zu schmeißen. Denn: Die Verhandlungen mit dem koreanischen Automobilkonzern Hyundai stehen offenbar kurz vor dem Abschluß. Wulff zeigte sich am Donnerstag optimistisch, die Werbefläche auf den HSV-Trikots zum erhofften Preis zu verkaufen. „Wir werden uns auf jeden Fall nicht verschlechtern“, sagte er. Der japanische Elektronikkonzern Sharp zahlte bisher rund 2,7 Millionen Mark jährlich.

Und vielleicht ist der neue Sponsor auch eine Hoffnung für die Volleyballer. Denn bei einem Bekanntheitsgrad von 10 Prozent, den die koreanische Autoschmiede im Moment in Deutschland hat, bedeuten auch Fernsehminuten in einer Randsportart zusätzliche Werbung. Zudem kostet eine mittelmäßige Männerbundesligamannschaft pro Spielzeit gerade einmal die Hälfte von dem, was ein Yordan Letschkow oder Karsten Bäron in einer Saison verdienen. kader