Sanssouci
: Vorschlag

■ Mecca Normal im K.O.B.

Vor nicht allzulanger Zeit lagen Mecca-Normal-Platten noch in verstaubten kanadisch-amerikanischen Raritätenkisten herum und waren nur einer Handvoll Leuten bekannt. Zu obskur war die Musik dieser Zwei-Personen-Combo, zu sehr gegen alle rockistischen Gewohnheiten gebürstet, eine Band ohne die Soundhalter Baß und Schlagzeug! Aber hurtig wendeten sich die Dinge, und alle möglichen Ausgrabungen wurden getätigt, um aus den breitangelegten Rock-Sackgassen zu kommen. Dabei stieß man in Olympia, einer kleinen, nicht weit von Seattle gelegenen Stadt, auch auf das K-Label von Calvin Johnson (Beat Heppening), einer Fundgrube für den etwas anderen Grunge aus dem Nordwesten der USA, für reduzierte, „kleine“, aber gar nicht so feine Musik. Und entdeckte unter anderem Mecca Normal, die bei K-Records gerade „Dovetail“, ihre fünfte (!) Platte veröffentlicht hatten und prädestiniert waren für neue, zur Abwechslung mal folkistisch ausgeschmückte Schubladen.

Allerdings rocken und spielen Mecca Normal eher wie aus einem Avantgarde-Guß, denn während Sängerin Jean Smith laut, nölig und enervierend ihre Texte vorträgt, traktiert David Lester unermüdlich und noisy die elektrische Gitarre. Oft wundert man sich, daß überhaupt eine Einheit, ein Song, entstehen kann, so sehr streben Stimme und Gitarre manchmal auseinander. Für genug Intensität und kratzbürstige Emotionalität ist allemal gesorgt, wobei Kategorien wie Hardcore, Folk oder Pop chamäleonhaft umgangen werden.

Ihre Konzerte sind anstrengend und mehr eine Art Performance, denn Jean Smith sprechsingt nicht nur auf der Bühne, sondern wandert auch mal mit oder ohne Mikro durch die Publikumsreihen und fordert damit ein Höchstmaß an Nähe und Aufmerksamkeit ein. Das schließt auf Sendungsbewußtsein und Kommunikationsvermittlung, ist gemeint wider das reine Spaßdiktat und wirkt oft eine Idee zu ernsthaft. Ebenso könnten sich Mecca Normal ihre Shows in Buchläden, Waschsalons oder sonstwo vorstellen, als vertonte Lesungen sozusagen. Was kein Problem wäre, denn neben dem geringen instrumentellen Aufwand hätte man sogar ein Buch zur Hand, eins, das Jean Smith geschrieben hat. „I can hear me fine“ heißt das Werk, das den Spiegel gerade veranlaßte, sie zur Radikalfeministin und Urmutter der „Riot Girls“ zu erheben, laut Spex „erst mal eine Selbstbeobachtung von außen“ meint und nach eigener Auskunft „Träume, Reisen und Beziehungen enthält, irgendwie esoterisch sein soll“. Und das man am besten selbst liest. Gerrit Bartels

Heute, 22 Uhr, K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg.