piwik no script img

Jogging im Kugelhagel

■ Überraschend: „Mizaldo“, eine Posse aus Sarajevo (Forum)

Zwei Kampfhunde, geifernd ineinander verbissen, zerren sich unter Anfeuerungen der Umstehenden zu Boden. Nach nur zwei Minuten ertappt sich die Zuschauerin dabei, eine Entscheidung sehen zu wollen: Blut soll fließen, lets get it over with, und weiter. Aber dann kommt ein Schnitt, eine kryptische Ansage des Filmemachers, und flugs sind wir auf den Straßen von — Sarajevo. „Jede Freiheit hat ihr Risiko“ murmelt einer, während ein anderer sich, mitten im — nicht gestellten Schußwechsel — von einer Hochhauswand wie ein Bergsteiger herabläßt. „United Colors of Bosnia“ steht auf seinem Hemd. Wieder die Hunde, wieder keine Entscheidung. Was soll das? Dieser Film hat einen seltsam sportiven Elan, ist das nicht absolut unpassend? Was gibts da zu witzeln?

Wenn in Sarajevo Menschen eine Seitenstraße passieren, fangen sie an zu rennen. Das ist irgendwie auch witzig. In diesem Video (die Umkopie auf Film MUSS man diesen Leuten ermöglichen!) zieht sich einer der beiden Protagonisten auf offener Straße hinter einer Barrikade sein neues Jogging-Zeug an und läuft an einer Seitenstraße vorbei: Und eins, und zwei, und eins, und zwei... Sein Kompagnon, ein kleiner, zahnloser Schlemiehl, geht wenig später in ein Restaurant, die Kellner spritzen aufgeregt beiseite, er scheint ein hohes Tier zu sein, denn schon nach zwei Minuten bringen sie ihm, mit großem dramaturgischen Aufwand, eine UNPROFOR- Schachtel. Es sind Glasscherben drin! Leckere Glasscherben!

Ulrich Gregor, der Leiter des Forums, hatte das Video auf der Pressevorführung fast beschämt angekündigt. Schließlich sei es aus Sarajevo, und man habe eben zeigen wollen, was man kriegen könne. Dabei ist „Mizaldo“ unter den drei Sarajevo-Filmen des Forums der einzige, der konsequent eine Innenperspektive vertritt. Guckt, was wir für ein Leben führen, ist das nicht zum Totlachen?!

Der Philosoph und Filmemacher Bernard Henri Lévy hat einige Gastauftritte, in denen er, in schönstem Philosophen-Französisch, seinem Entsetzen über den Verfall der Bibliothek und die Brutalität der Serben Ausdruck verleiht, während er sich die graumelierten Haare aus dem Gesicht streicht. Einfach zum Brüllen. Mariam Niroumand

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen