Durchs Dröhnland
: Der wichtigste Furz in der Geschichte von Leeds

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Wieder mal der Versuch: großanlegter Rock mit internationalem Niveau aus Deutschland. Das hört sich dann auch bei The Land eben so an, wie sich die Mainstream-Pampe eben so anhört. Da bratzen die Gitarren so steril wie frisch eingetütete Kondome, klappert das Schlagzeug so hygienisch, als würde nie eine Schraube daran locker, und röhrt der Sänger überraschend von Leben und Liebe.

Das Trio kommt aus Hamburg, auch wenn man eher ein glücklich vor sich hindümpelndes Provinzstädtchen erwartet hätte. Immerhin muß man zugeben, daß die Vorgaben eindeutig erfüllt wurden: Dies ist Rock mit internationalem Niveau und wird wohl bei den Musik-TV-Stationen ohne Probleme in nahezu jedem denkbaren Sendeschema zu plazieren sein. Und dort zwischen der Ami- Soße überhaupt nicht auffallen, womit das Klassenziel ja erreicht sein dürfte.

Heute, 21 Uhr, Huxley's Junior.

Die können einfach alles, ob es nun cool funkender Rock ist, hysterische Popperlchen oder pathetisches Irgendwas-bloß-nicht- Normal. Und komischerweise hört es sich trotzdem immer an wie Les Rita Mitsouko. Und Iggy Pop hat auf ihrer neuen Platte bei einem Song im Duett mit Catherine mitgetan (was allerdings das schwächste Stück auf „Systeme D“ ergeben hat). Und sie machen wunderbare Videos, wegen denen sich sogar eine halbe Stunde MTV-Einheitskacke lohnen tut. Sie sind ganz sicherlich die beste Band der Welt in irgendeinem Paralleluniversum, das Melmak sehr ähnlich sein dürfte. Alf hat auf jeden Fall sicher seine Freude, denn das französische Duo hat ungefähr denselben Humor und ist genauso comic-haft wie unser Vorabendfreund. Manchmal sind sie auch so schmalzig wie diese Seifenoper, aber eben auch so anrührend. Und wegen dem, was Les Rita Mitsouko bisher an Visuellem vorgeturnt haben, erwartet uns sicher ein nicht ganz übliches Konzertereignis.

Heute, 20 Uhr, Huxley's Neue Welt, Hasenheide 108-114, Neukölln.

Wer kennt sie nicht, wer braucht sie nicht? Nach dem Ableben der Men They Couldn't Hang und weil die Pogues nach Verschmalzung und Sängerverlust nicht mehr dasselbe sind, stehen Blyth Power plötzlich und unvermutet in der ersten Reihe des britischen Vorwärtsfolk, was sie nicht davon abhält, weiterhin wenig Geld mit ihrer Musik zu verdienen. Also wird sich Josef Porta weiter die dünnen Ärmchen schwitzig trommeln, das kleine Lüngchen raussingen und die Hühnerbrust voller Emphase präsentieren. Bei Blyth Power fließt nicht nur der Schweiß, man kann ihn förmlich hören. Man muß sie lieben, weil Porta einer der letzten Aufrechten ist und trotzig und völlig unironisch seine pathetischen Geschichten über Züge herausschreit, ohne dabei peinlich zu werden.

Am 13.2., 22 Uhr, K.O.B., Potsdamer Str.157, Schöneberg.

Das erste, was auffällt, wenn man Nadja Petrick hört, ist diese obskure Differenz zwischen der eher höheren Tonlage ihrer Stimme und dem Reibeisencharme, der so nach Jack Daniels klingt, daß die obligatorischen Vergleiche zu Janis Joplin nicht lange auf sich warten ließen. Mal abgesehen davon, daß Petricks erste Platte kein bißchen nach Blues klingt, sondern sich zielsicher zwischen die Stühle Middle-of-the-Road-Pop und Folk-Rock setzt, ist ihre Stimme auch einfach zu quäkig. Viele sagen dazu gerne gewöhnungsbedürftig, was ohne Zweifel auch stimmt, und prophezeien die große Karriere. Die ersten Schritte hat sie schon getan, die Platte wurde produziert von Joey Balin und eingespielt mit Musikern von Peter Gabriel, Madonna, Tears For Fears, David Bowie oder Whitney Houston.

Am 14.2., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg.

Oh ja, die Mekons. It's Legendentime again! Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich persönlich nie so viel mit ihnen anfangen konnte, deshalb die einschlägigen Fakten: Gegründet 1977 waren sie der erste und wohl bis heute wichtigste Furz, den die Musikszene in Leeds je gelassen hat. In ihrer langen Geschichte dürften sie nicht nur auf keinem Bergarbeiter-Streik-Benefiz gefehlt haben, sondern spielten auch so ziemlich alles, was einer ehemaligen Punkband einfallen könnte. Leider waren sie damit meist zu früh dran und längst schon wieder woanders, wenn ihre Ideen populär wurden. Jede Band aus Leeds, und das ist immerhin ein Spektrum von den Sisters of Mercy bis zu Chumbawamba, ist notgedrungen von ihnen beeinflußt, mindestens mit ihnen bekannt oder gar gleich verwandt, denn nach letzten Schätzungen spielten bisher cirka 75 Musiker und Musikerinnen bei den Mekons. Vielleicht haben wir es hier mit der verdientesten noch bestehenden Band der Punk-Revolution zu tun. God Save the Mekons, auch wenn – wieder nur meine unmaßgebliche Meinung – auch ihr letztes Album arg disparat und eher danebengegangen ist. Dem Titel desselben aber muß auch ich unumwunden zustimmen: „I love Mekons“.

Am 13.2., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg.

Es gab mal – wer sich mit Grausen erinnern möchte – das Berliner Bassballett: Nur Bässe mit Schlagzeug und einem Berg von Effektgeräten, damit die Bässe bloß nicht wie eben solche klingen. Raus kam übelste Hitparadengülle. Daß man aus einer solchen Besetzung auch was machen kann, zeigen Headbutt aus London. Zwei Schlagzeuger und drei Bassisten spielen halt so, wie sich das eben anhört: tief, tiefer und drohend. Zwar erinnert ihr Songaufbau recht oft an die monotone Dramaturgie der frühen Velvet Underground, aber ihre Mischung aus Noise und Dark Rock wäre klasse als Soundtrack für den nächsten John-Woo-Film (hoffentlich ohne van Damme).

Am 16.2., 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Str. 68, Mitte. Thomas Winkler