Betr.: "Falsche Anschläge, Freunde und Opfer" (Franz Christoph), taz vom 19.1.94, "Die Gründung der Ideenschmiede", (Klaus-Peter Görlitzer) "Ausgrenzung erwünscht" (Wolfgang Löhr), taz vom 24.1.94, "Die Schwelle ist längstüberschritten" ...

[...] Nur wenig wird darüber gesprochen, was von der großen (meist schweigenden) Mehrheit in dieser Gesellschaft zu fordern ist, um den tödlichen Gefahren, die nun gerade besonders durch die Euthanasie-Debatte sichtbar werden, wirksam zu begegnen. Daß sich mit der Frage nach lebensunwertem Leben auseinandergesetzt werden muß, statt ihr nur das öffentliche Podium zu entziehen, scheint mir logisch. [...]

So sollten Menschen mit Behinderung nicht damit zufriedengestellt werden, daß die Frage nach dem Lebenswert nicht öffentlich gestellt wird, sondern sie sollten eindeutige Antworten auf diese Fragen bekommen. Antworten, die sie der uneingeschränkten Akzeptanz der Gesellschaft versichern, die keinen Zweifel an der Anerkennung der Menschenwürde – unabhängig von irgendeiner Form der Behinderung – lassen, die ihnen einen Lebensraum innerhalb der Gesellschaft sicherstellen. Dem Anspruch auf Gleichberechtigung und Integration stehen allzu häufig Ignoranz und Ablehnung entgegen!

Wie viele haben denn dem Flensburger Urteil im stillen zugestimmt? Wie häufig wird in „ganz normalen“ Wohngegenden gegen geplante Wohnstätten für Menschen mit Behinderung protestiert? Wie viele Eltern haben Vorbehalte gegen integrierte Kindergärten? Wie groß ist die Bereitschaft wirklich, einem schwerbehinderten Menschen den gleichen „Lebenswert“ zuzugestehen wie z.B. einem Bundespräsidenten?

Diese Haltungen im Alltäglichen bereiten der Euthanasie-Debatte und auch den Aktionen der Rechten den Boden! Wo bleiben die längst fälligen Korrekturen in der Entwicklung unserer Gesellschaft? Ich glaube, die „Verrohung des sozialen Klimas“, wie sie Herr Tolmein beschreibt, ist schon weiter fortgeschritten, als er meint! [...] Andreas Frost,

Heilerziehungspfleger, Eilum