■ In Kairo unterzeichneten Arafat und Peres nach zähen Verhandlungen ein Zwischendokument
: Zwischen Rückschlag und Fortschritt: „Den“ Durchbruch gibt es nicht

Erinnern wir uns: Vor fünf Monaten schüttelten sich in Washington ehemalige Todfeinde die Hände. PLO-Chef Jassir Arafat ergriff erst die Hand des israelischen Regierungschefs Jitzhak Rabin und dann die des israelischen Außenministers Schimon Peres. Durch die Unterschriften von Peres und dem PLO- Funktionär Abu Masen wurde das „Gaza-Jericho- Abkommen“ über eine Teilautonomie der Palästinenser in den besetzten Gebieten besiegelt. Die Metapher vom Durchbruch wurde von allen Seiten bemüht.

Seither ist die Friedenseuphorie zunehmender Ernüchterung gewichen. In allen entscheidenden Fragen enthielt das Abkommen Formulierungen, die von beiden Seiten völlig unterschiedlich interpretiert wurden. Um dem Abkommen trotz dieser Widrigkeiten Leben einzuhauchen, mußte kräftig nachverhandelt werden. Während in Kairo, Taba, Tunis, Paris, Davos und sonstwo Palästinenser und Israelis um Details feilschten, schwand das internationale Interesse. So mancher Beobachter fand zu der Überzeugung zurück, der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern gehöre zu den wenigen Konstanten der Geschichte.

Mittwoch abend ist diese Behaglichkeit jedoch wieder ein wenig gestört worden. Die ehemaligen Todfeinde Arafat und Peres befleißigten sich öffentlich einer Gestik, die Todfeinden untersagt ist. Sie umarmten sich. Sicherlich herzten sich die beiden Politprofis nicht als Ausdruck innerer Rührung, und die großen Worte beider entsprangen wohlbedachtem Kalkül. Aber auch für TV-Kameras inszenierte Auftritte haben einen Aussagewert. Und die beiden Kontrahenten signalisierten der Weltöffentlichkeit ganz bewußt: Die Zeiten haben sich geändert.

Bei Lichte betrachtet, regelt das in Kairo unterzeichnete Dokument nur einen Bruchteil der Streitpunkte. Daß sich Peres und Arafat entschlossen, jetzt ein „Zwischenergebnis“ ihrer Verhandlungen zu präsentieren, ist dem Umstand geschuldet, daß vor allem die PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten unruhig werden. Will sich Arafat als Oberhaupt der PLO behaupten, muß er Erfolge vorweisen.

Die israelischen Verhandlungsführer nutzten diese Situation, um dem PLO-Chef Zugeständnisse abzutrotzen, die er vor einigen Monaten noch als unannehmbar bezeichnet hätte. Sie verzichteten aber darauf, Arafat durch unannehmbare Forderungen praktisch zu stürzen.

Die jetzt unterschriebene Kompromißformel unterscheidet sich kaum von mehr als einen Monat alten Angeboten der Israelis. Jedoch kann Arafat darauf verweisen, in der Zwischenzeit zäh verhandelt zu haben. Das Dokument belegt auch, daß im Verlauf der kaum noch überschaubaren Verhandlungsrunden der letzten Monate an Substantiellem gefeilt wurde. Während vor den Verhandlungsorten Journalisten auf einen neuen „Durchbruch“ warteten, ging es im Inneren um Details. Palästinenser und Israelis steckten über Meßtischblättern die Nasen zusammen und feilschten um jeden Quadratmeter. Inzwischen haben sich beide Seiten von dem ursprünglichen „Fahrplan“ des Abkommens verabschiedet. Beide haben sich darauf eingestellt, um weitere Details ähnlich zeitintensiv zu ringen wie um das jetzt präsentierte Papier. In der Zwischenzeit werden sich wieder kaum zu überblickende Delegationen an bekannten und unbekannten Orten treffen, und das Interesse wird mangels „Durchbruchs“ abklingen – bis zur nächsten öffentlichen Umarmung... Thomas Dreger