Japan-Bashing und die Kunst des Dialogs

Beim Besuch Hosokawas in den USA soll der amerikanisch-japanische Handelsstreit beigelegt werden – doch statt Kompromissen kehren beide Seiten die Differenzen heraus  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Eigentlich haben die beiden genug gemeinsam, um ihre Zusammentreffen in Harmonie und gegenseitigem Mitgefühl verlaufen zu lassen. Beide versuchen sich mit gemischtem Erfolg an beachtlichen Reformprojekten, beide haben mittlerweile eine beachtliche Anzahl von blauen Flecken davongetragen. Wenn er sich heute in Washington mit US-Präsident Bill Clinton trifft, könnte Japans Premierminister Morihiro Hosokawa dem Amerikaner sein Leid mit einer widerspenstigen Koalitionsregierung und einer allmächtigen Bürokratie des Finanzministeriums klagen. Und Clinton wüßte ein paar Geschichten über die Tücken des US-Kongresses oder die Skandalgier der US-Presse beizutragen.

Tatsächlich aber werden sich der US-Präsident und Japans Premierminister streiten – über das US-Handelsbilanzdefizit natürlich. Ursprünglich wollten Hosokawa und Clinton bei ihrem Treffen ein umfassendes Handelsabkommen unterzeichnen – das Ergebnis von sechs Monaten zäher Verhandlungen zwischen der stellvertretenden Handelsbeauftragten der Clinton-Administration, Charlene Barshefsky, und Sozaburo Okamatsu, dem japanischen Vizeminister für internationale Angelegenheiten. Doch die beiden haben statt Kompromissen bislang vor allem inhaltliche und stilistische Meinungsverschiedenheiten herausgearbeitet. Glaubt man den Prognosen amerikanischer KommentatorInnen und den düsteren Vorankündigungen von Mitgliedern der US-Administration, so will Bill Clinton beim Besuch Morihiro Hosokawas keinen größeren Wert mehr auf diplomatische Höflichkeiten legen.

Dabei schien der größte Streitpunkt schon letzten Sommer beseitigt. Da hatte Bill Clinton mit Hosokawas Vorgänger Kiichi Miyazawa vereinbart, Japans Fortschritte bei der Öffnung seiner Märkte mit „objektiven Kriterien“ zu messen. Nach Ansicht Washingtons sind unter „objektiven Kriterien“ konkrete Importquoten zu verstehen, an die sich Japan zu halten hat. Nach Ansicht Tokios sind konkrete Quoten nur dazu geeignet, zurückliegende Handelsbilanzen zu beurteilen – und sich daran darüber zu unterhalten, woran es gehakt hat. Japan werde eine „deutliche Reduzierung“ seines Außenhandelsüberschusses im Waren- und Dienstleistungsbereich herbeiführen, schrieb Hosokawa im Dezember in einem Brief an US-amerikanische Ökonomen. Doch alle Maßnahmen würden auf freiwilliger Basis getroffen.

In Washington will man auf solche Goodwill-Erklärungen nichts mehr geben – zumal Japans weltweiter Außenhandelsüberschuß inzwischen auf über 131 Milliarden Dollar angewachsen ist. Fast die Hälfte dieses Überschusses, rund 54 Milliarden Dollar, hat Japan im Handel mit den USA zusammengetragen.

Nun gibt es in der Geschichte des japanisch-amerikanischen Streits nicht nur Goodwill-Erklärungen aus Tokio, sondern eine ganze Reihe von bilateralen Abkommen. Insgesamt 29 wurden seit 1980 abgeschlossen, um Ex- und Import zwischen beiden Ländern wieder in Balance zu bringen. Die betroffenen Produkte reichen von Stahl und Supercomputern über Holzprodukte und Autoteile bis zu Orangensaft. Einige – das gibt auch der amerikanische Handelsbeauftragte Mickey Kantor zu – haben aus US-Sicht positive Ergebnisse gebracht, zum Beispiel ein Abkommen über den Import ausländischer Halbleiter. Doch die meisten anderen Vereinbarungen sieht man in Washington als Zeit- und Papierverschwendung an. „Das geht jetzt schon seit der Carter-Administration“, erklärte unlängst Robert Rubin, Vorsitzender des von Clinton eingerichteten „Nationalen Wirtschaftsrates“. „Die Japaner sagen, daß sie das Problem schon in Ordnung bringen werden. Und das Problem bleibt.“

Das „Problem“ ist sicher nicht nur ein handelspolitisches, sondern auch ein atmosphärisches. Männer wie Sozaburo Okamatsu gelten in den USA als „unnachgiebige Karrieremandarine, die die Amerikaner zu Tode reden“ (Wall Street Journal); in japanischen Augen sind „Clintonites“ wie Charlene Barshefsky symptomatisch für den politischen Aufstieg von JuristInnen, die weder etwas von Handelspolitik noch von Japan verstehen. Hinzu kommt, daß Barshefskys Chef, der US-Handelsbeauftragte Mickey Kantor, schon nach amerikanischen Maßstäben kein übermäßig höflicher Mensch ist.

Der Besuch Hosokawas in Washington hätte unter etwas günstigeren Vorzeichen gestanden, wäre es dem japanischen Premierminister zu Hause gelungen, ein umfangreicheres Konjunkturpaket durchzusetzen. Auf staatliche ökonomische Anreize im rezessionsgeplagten Japan haben die USA gepocht, damit die japanischen VerbraucherInnen mehr ausländische, hauptsächlich natürlich amerikanische, Produkte kaufen. Doch Hosokawa widerfuhr, was auch Bill Clinton schon oft widerfahren ist: Er geriet in die innenpolitischen Mühlen, mußte feilschen und dealen, um seine Sieben-Parteien-Koalition beisammen zu halten. Am Ende wurde ein zentraler Teil seines 140-Milliarden-Dollar- Programms, nämlich die Steuererleichterungen in Höhe von 55 Milliarden Dollar, mit einem Hasenfuß versehen: Sie sind nur für ein Jahr gültig, was die japanischen KonsumentInnen eher dazu anhalten wird, das zusätzliche Geld zu sparen, als es auszugeben. Entsprechend säuerlich war am Mittwoch, zwei Tage vor Hosokawas Eintreffen in den USA, die Miene von US-Finanzminister Lloyd Bentsen und anderen Mitgliedern der US- Administration.

Sollte es nun auf höchster Ebene zwischen Hosokawa und Clinton doch noch zu einer Einigung kommen, so wäre dies ein kleines Wunder. Bleiben beide auf ihren Positionen bestehen, so sind Handelssanktionen seitens der USA wahrscheinlich. Das dürfte Bill Clinton zwar ein paar Prozentpunkte in den Meinungsumfragen geben, da „Japan-Bashing“ in der amerikanischen Öffentlichkeit meistens begrüßt wird. Doch im Weißen Haus muß man sich fragen, was der Preis eines Handelskrieges mit Japan sein könnte – ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da das Land von einem Mann regiert wird, der nicht nur ideell, sondern auch politisch mit Bill Clinton viel gemeinsam hat. Und die USA sind nicht nur wirtschaftlich auf Japan angewiesen, sondern auch sicherheitspolitisch – vor allem im eskalierenden Konflikt um Nordkorea und sein Atombombenprogramm.