Naumann-Tagung in „liberaler Atmosphäre“

■ Die Kurdistan-Politik der Bundesregierung gleicht einem Eiertanz

Gummersbach (taz) – Professor Dr. Manfred Schleker wirkte fahrig und elend. „Im Auswärtigen Amt ist man nicht damit einverstanden, was wir hier machen“, seufzte der FDPler. Der Politikwissenschaftler und frühere Redenschreiber Hans-Dietrich Genschers hatte sich eine Beschäftigung ausgesucht, die ihm zunehmend unangenehm wurde: im Auftrag der FDP-nahen Friedrich- Naumann-Stiftung eine Tagung zum Thema „Kurden“ zu organisieren. Rund einhundert TeilnehmerInnen, zumeist KurdInnen und Deutsche, die sich mit ihnen verbunden fühlen, waren in Gummersbach zusammengekommen.

Zwei Umstände machten die Veranstaltung zum Drahtseilakt. Die Bundesregierung beharrt auf der Unveränderbarkeit der Grenzen im Nahen Osten. Zum anderen ist eine der einflußreichsten kurdischen Gruppierungen, die militante „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) in der Bundesrepublik verboten. Die angebliche Statik der Region geht die Bundesregierung seit Ende des zweiten Golfkriegs pragmatisch an. Seitdem die irakischen Kurden das von ihnen kontrollierte Gebiet unter dem Schutz der Alliierten einseitig zum irakischen „Bundesland“ erklärt haben, unterhält Bonn dort eine ständige Vertretung. Unter dem Mantel des „Arbeiter Samariterbundes“ residiert ein Angestellter des Auswärtigen Amtes (AA) im Norden Iraks. Kontakt hält er über die Bonner Vertretung in Ankara. So trägt die Bundesregierung der Tatsache Rechnung, daß hinter der türkisch-irakischen Grenze ein Schild „Willkommen in Kurdistan“ steht.

Auch Dilshad Barsani war nach Gummersbach gereist. Der jüngere Bruder des Chefs der „Kurdischen Demokratischen Partei“ (KDP), Massud Barsani, ist seit einem Jahr „Vertreter der irakischen Kurden bei der Bundesregierung“. Bessere Kontakte unterhält er allerdings nach Hannover und Düsseldorf. Die nordrheinwestfälische Landesregierung spendierte ihm sogar eine gepanzerte Dienstlimousine und stellt ihm die Bodyguards. Keine Kompromisse macht die Bundesregierung gegenüber der PKK. Nachdem die ersten Programme verschickt worden waren, meldete sich bei Schleker das Auswärtige Amt: „Auf ihrem Podium sitzt jemand von der PKK.“ Der inkriminierte Diskutant wurde gestrichen. Für die Mitorganisatoren des „Kurdischen Informations- und Dokumentationszentrums“ eine „unverschämte Einflußnahme“. Um nicht in den Ruch der PKK- Nähe zu kommen, ließ Schleker in Gummersbach einen ausliegenden offenen Brief an den Außenminister entfernen. Darin wurde Kinkel „Komplizenschaft mit den türkischen Terroristen“ bei der Unterdrückung der Kurden vorgeworfen. Ein solches Schreiben passe nicht „in die liberale Atmosphäre“ der Tagung, so Schleker. Zudem sei Kinkel einer der Finanziers der Veranstaltung.

Dennoch zierte sich das Auswärtige Amt, einen Vertreter nach Gummersbach zu schicken. Ein stellvertretender Referatsleiter wurde kurfristig zurückgepfiffen, ein anderer hatte „Terminschwierigkeiten“. Da man sich jedoch nicht die Blöße geben wollte, ganz zu fehlen, mußte Dr. Reinhold Huber, „Vortragender Delegationsleiter erster Klasse“ des Auswärtigen Amtes den Gang in den römischen Zirkus antreten. Mit betretenem Gesicht beteuerte er trotzig, der Einladung „mit Befriedigung“ gefolgt zu sein. „Den Vorwurf, daß wir der Türkei Kriegswaffen liefern, mit denen Kurden umgebracht werden, muß ich zurückweisen“, vermittelte er ungewollt einen Eindruck darüber, was ihm im heimischen Ministerium eingeschärft worden war. „Wir sagen der Türkei bei jeder Gelegenheit: Hört auf, die Dinge politisch ... äh, militärisch zu lösen.“

Bevor sich der kollektive Daumen des Publikums senkte, kam Schleker zu Hilfe. Huber werde mit „viel Unruhe“ im Herzen heimreisen. Und an die KurdInnen gerichtet: „Es wäre katastrophal, wenn sie ihre Hoffnung aufgeben würden. Hoffen sie weiter.“ Thomas Dreger