Das Gelbe von der Post

■ Wer hat eigentlich die neuen lila Telefonzellen gewollt, die keiner findet? Ein Nachruf

Riecht nach kaltem Rauch, Schweiß und Urin – was ist das? Unten grau, oben dunkelpink wie erbrochenes Heidelbeerjoghurt, na? Eine der neuen Telefonzellen natürlich. „Aber das ist nicht Dunkelpink, das ist Magenta“, klärt Telekom-Pressesprecher Klaus Wendel unermüdlich auf. 150 dieser neuen öffentlichen Sprechstellen sind in Bremen in den letzten beiden Jahren aufgestellt worden – damit sind nur noch rund 90 Prozent aller Häuschen gelb. Doch schon jetzt gehen die ersten Dunkelpinken aus dem Leim, die vorm Postamt 1 verlieren fast ihre Dachleisten.

Dabei sind die Klassiker noch gar nicht vergessen. Die hartkantigen gelben Häuschen, die man wenigstens noch gesehen hat und die man nicht kaputtkriegte, es sei denn, man trat die Scheiben ein. Die bekannten sich dazu, einfache Kästen zu sein, hatten nicht hier ein halbes Säulchen aufmontiert, dort eine Dachleiste schräg gespalten. Das Verhängnis allerdings begann schon Ende der 70er Jahre mit den abgerundeten Ecken im Samsonite-Koffer-Stil. Obwohl: immerhin gelb. Und damit sichtbar.

Das ist doch nur ein Generationenproblem, sagt der Telekom-Sprecher, in 15 Jahren suche keiner mehr nach gelben Zellen, dann spätestens sei die Lebenszeit auch der letzten Gelben abgelaufen. „Aber meine noch nicht“, sagt Kollege B. (40) pikiert. „Und die Jüngeren werden auch nicht lernen, in abscheuliche Telefonzellen zu gehen, die man nicht findet – und wenn, dann ist diese Generation ebenfalls abzulehnen“, fügt der Kulturredateur (34) hinzu. Den Bahnhofsvorplatz hat die Telekom schon mal zum Trainingscamp umfunktioniert: dort stehen nur noch magentafarbene Zellen.

Hat sich denn irgendjemand über Form und Farbe der Telefonzellen beim Postminister beschwert? Hagelte es Briefe, daß die Leute das Gelb nicht mehr ertragen könnten? Angeblich hatten die deutschen DenkmalpflegerInnen was dagegen. „Diese erschreckende Signalwirkung in historischen Fußgängerzonen“, zitiert der Telekom-Sprecher. Das Gejaule hat man offenbar nicht mehr ertragen. Schon zuvor hat die damalige Post manchmal zähneknirschend Umlackierung in Dunkelbraun zugestimmt –in Lüneburg zum Beispiel. Im Schnoor wurde ein Zelle mit Sprossenfenstern genehmigt. Doch Denkmalpfleger Peter Hahn kann sich gar nicht erinnern, jemals die Gelben beklagt zu haben. Ihn stören sie höchstens in unmittelbarer Nähe von besonders verletzlichen Kulturdenkmälern.

Aber die Telekom hat noch viel mehr Argumente für die neuen Häuschen auf Lager: Das Gelb war stark schwermetallhaltig, also schlecht zu recyclen. Vor allem aber: „Die Post ist nicht mehr gelb, sondern magenta – Sie kennen doch das Logo der Telekom: die magentafarbenen Buchstaben mit den weißen Punkten dazwischen.“ ??? Doch, das neue Logo für den Telefonzweig der alten Firma „die Post“, Klaus Wendel läßt nicht locker. Damit die Leute es endlich kapieren, sind jetzt auch die Firmenwagen magentafarben bedruckt worden. Überall magenta, Herr Wendel findet's toll, das sei eben Corporate Identity.

Und außerdem haben auch die DarmstädterInnen nicht aufgemuckt, als an ihnen während eines Wettbewerbs allerlei neumodische Zellen ausprobiert wurden. Die ließen sich nicht abschrecken von der Spritzgußplastik-Ästhetik, von der Steckbaukastentechnik, wie man sie in jedem Interregio, in jedem ICE sieht. Unsereins aber findet, daß sie in ihrem Pseudoschick viel mehr stören als die Gelben. Unentschieden stehen sie herum, wissen nicht, ob sie auffallen ( Magenta-Dach) oder stille sein sollen (grauer Leib). Und außerdem stinken sie noch immer. Obwohl mindestens zweimal wöchentlich ein Reinigungstrupp mit Desinfektionstüchern daherkommt, in die Zellen am Hautpbahnhof sogar zweimal täglich. Christine Holch