Skin-Prozess in Hannover

■ Freispüche und Bewährungsstrafen für rechtsradikale Jugendliche

Artig sitzen die sechs jungen Männer mit kurzgeschorenem Schädel im Saal 3014 des Amtsgerichts. Artig jedenfalls solange, wie Richterin und Staatsanwalt in der Nähe sind. In den Verhandlungspausen am Montag stellen sie sich in kleine Gruppen mit Freunden zusammen, die ähnlich markante Haarreste auf dem Kopf haben, und reden Klartext. „Wir stellen uns lieber strohdoof, als in den Knast zu gehen“, klopft man sich gegenseitig auf die Schulter. Einer würde sich „nicht wundern, wenn der Staatsanwalt in drei bis vier Monaten eine Briefbombe im Kasten hat“, ein anderer schlägt vor, daß zur Urteilsverkündung „alle stramm stehen und den Arm hoch heben“. Gröhlende Zustimmung, aber die Angst ist größer und man entscheidet, die Provokation „jedenfalls heute“ auszulassen. Wegen drei Taten wurde angeklagt: Zwei Skins haben im Zug zwei Männer zusammengeschlagen, die sich antifaschistisch geäußert hatten; mit Pistolen und Schlagwaffen ausgerüstet waren Skinheads auf eine Gruppe Asylbewerber losgegangen; auf offener Straße und ohne jeden Anlass wurden Schüler, die etwas „angepunkt“ aussahen, zusammengetreten. Durchsichtig aber wirkungsvoll ist die Strategie der Verteidiger. Bei belastenden Aussagen wird die „Glaubwürdigkeit der Geschädigten und Zeugen“ in Frage gestellt. Dagegen stehen ja die Aussagen der Skins, die sich gegenseitig entlasten. Der Verweis des Staatsanwalts auf die menschenverachtende Gesinnung der Angeklagten ist für den Verteidiger Herrmann Womelsdorf „politische Polemik“. Er beruft sich auf Ermittlungspannen bei der Polizei, meint die Skin-Gruppe hätte sich von den Asylbewerbern bedroht gefühlt und nur deshalb angegriffen. Wenn das nicht reicht, hat Womelsdorf noch einen zusätzlichen Trumpf im Ärmel: Durch Alkoholgenuss (unter Zeugen, versteht sich) habe sein Mandant eine verminderte Schuld. Das Resultat: Drei Freisprüche, als höchse Strafe zehn Monate auf Bewährung. Dem Rechtsstaat fehlen die Beweise.

kj