Ein Kopf ist unglaublich schwer

Sehschwächen, Kopfschmerzen und Verdauungsprobleme können die Folgen falschen Sitzens bei der Büroarbeit sein / Bewegung ist wichtig  ■ Von Christian Arns

Haltungsschäden sind Volkskrankheit. Kein Wunder, immer mehr Arbeit wird in Büros verrichtet, immer häufiger am Computer. Doch über die Leistungsfähigkeit der Rechner wird mehr gesprochen als über die Belastbarkeit ihrer Bediener – mit der eigenen Wirbelsäule wird sorgloser umgegangen als mit der Tastatur.

Verständlich, denn Selbstdisziplin beim Sitzen ist das entscheidende Mittel gegen Rückenschmerzen: „Sie können auf jedem Supermöbel schlecht sitzen“, meint Krankengymnastin Christine Wilhelm aus Steglitz: „Wer sich Mühe gibt, kann die Wirbelsäule durchaus auf einem Hocker entlasten.“ Doch es geht auch komfortabler. Ein moderner Bürostuhl sollte vor allem in sich beweglich sein, fordert Peter Dirk, Wohnberater in der Verbraucherzentrale, er müsse verschiedene Sitzstellungen zulassen.

Denn Mobilität ist wichtig: „Der Mensch ist nicht geeignet, längere Zeit in einer Stellung zu verharren“, so Christine Wilhelm. Ihre Kollegin Hanna Vollhaber pflichtet ihr bei: „Es ist wichtig, aus der Starrheit herauszukommen, gerade bei der Arbeit am Computer.“ Die im Deutschen Verband für Physiotherapie aktive Krankengymnastin hält daher Stehpulte für sinnvoll, allerdings nur zusätzlich zum Schreibtisch.

Damit dieser nicht verlassen werden muß, bietet Möbel-Hersteller office-plus jetzt ein Pult an, daß per Schwenkarm an einer Säule befestigt ist, an der auch ein Arm für das Telefon, ein weiterer für ein Ablagekörbchen vorgesehen ist. Da die Säule ihrerseits am Schreibtisch festgeschraubt wird, ist das kurzzeitige Hinstellen kein Aufwand. Für Physiotherapeutin Vollhaber eine gute Idee. Sie empfiehlt ihren Patienten, sich beispielsweise zum Telefonieren regelmäßig hinzustellen.

Das gemütliche Hineinlümmeln in einen Sessel gilt als ungesündeste Haltung, „von Sitzen kann dabei gar nicht die Rede sein“, so Wilhelm: „Die Lendenwirbelsäule wird so genau entgegen ihrer natürlichen Form gebogen.“ Vielmehr müsse die Hüfte etwas nach vorne gekippt, der Oberkörper gestreckt werden.

Für den Möbelkauf heißt das, daß die Sitzfläche entweder leicht nach vorne geneigt oder besser noch verstellbar sein sollte. Patentlösungen gebe es aber nicht, sind sich Physiotherapeuten und Wohnberater einig. Körpergewicht und Beinlängen sind eben verschieden, weswegen Peter Dirk rät, den Stuhl in Ruhe in einem Fachgeschäft auszusuchen: „In der Regel muß man aber mit mindestens 500 Mark rechnen.“

Für Hanna Vollhaber sind „Sitzkeile eine preiswerte Alternative“. Die schräg geschnittenen Kissen seien bereits ab zwölf Mark zu haben. Doch ob mit Nobelstuhl oder Keilkissen, zum richtigen Sitz gehört für die Krankengymnastinnen auch die Fußhaltung. Übereinstimmend raten sie, „beide Füße fest auf den Boden“ zu stellen, nicht unter die Sitzfläche. Daß gerades Sitzen anstrengend ist, räumt Vollhaber ein: „Ein Kopf ist unglaublich schwer, gegen Unterstützung spricht daher nichts.“ Sie rät, den Kopf hin und wieder mit den Händen abzustützen, statt ihn hängenzulassen, den Rücken nicht zusammensacken zu lassen, sondern gerade anzulehnen.

Lohnend ist die Mühe, denn die Folgen falschen Sitzens gehen über wegzumassierende Rückenschmerzen deutlich hinaus, wie Hanna Vollhaber betont: „Nackenverspannungen und Schmerzen der Halswirbelsäule, die in die Arme ausstrahlen können und sogar die Sehkraft schwächen, sind möglich. Wer zusammengesackt sitzt, läßt außerdem den Organen nicht genug Platz, es kann zu Verdauungsstörungen kommen.“