„Die Wachleute sind sauber, der Kopf stinkt“

■ Chefs der in Konkurs gegangenen Wachschutzfirma CSG, Ex-Top-Stasi-Leute, haben Daten vernichtet / Spionage?

Seit Mittwoch besetzen Vertrauensleute der Gewerkschaft ÖTV, Betriebsräte und einige hundert Wachschutzmänner den Berliner Teil des CSG Wachschutzbetriebes (Commercial Service Group) in Schöneberg. Gestern nacht um null Uhr wurde der Betrieb geschlossen. Die Krankenkasse AOK hatte wegen nicht eingegangener Beiträge von 3,6 Millionen Mark einen Konkursantrag gestellt.

Die Besetzer des Hauses in der Stubbenrauchstraße 3 wollen die drei von der CSG genutzten Stockwerke nicht verlassen. „Wir bleiben hier, bis der Staatsschutz kommt, um die Räume zu versiegeln“, sagt der ÖTV-Sekretär Detlef Wahl. „Wir wollen verhindern, daß noch mehr Akten rausgeschleppt werden“, ergänzt Vertrauensmann Jörg Gneidig. Denn der seit 14 Jahren bei der CSG und beim Vorbesitzer „Wachschutz Berlin Werner Loesch GmbH & Co-KG“ beschäftigte Sicherheitsexperte hat vor zwei Wochen gesehen, daß seine Arbeitgeber den Reißwolf fütterten. „12 bis 14 Säcke Papierschnipsel standen anschließend im Hof und stehen zum Teil jetzt noch da“, sagt er.

Die ehemaligen Mitarbeiter der Firma befürchten das „Allerschlimmste“: Betriebsspionage und Geldwäscherei der bis heute verschwundenen PDS-Millionen. Denn fast sämtliche Führungskräfte und Anteilseigner der CSG waren hohe Stasi-Offiziere. Das Berliner Unternehmen ist ein Teilbetrieb der CSG-Holding. Zu ihr gehörte auch das in allen fünf neuen Bundesländern tätige und ebenfalls jetzt in Konkurs gegangene „Alwas“-Wachschutzunternehmen. Geschäftsführer dieser Alwas war Knut Voigt, Offizier im besonderen Einsatz (OibE) bei der Abteilung IX des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und sogenannter HIM, Hauptamtlicher Informeller Mitarbeiter.

Anteilseigner waren ehemalige Kollegen, darunter auch Manfred Herbst. Mit ihm zusammen hielt Voigt auch zehn Prozent der Anteile des Berliner CSG-Unternehmens, 55 Prozent Valentin Fischer, angeblich Sohn des Honecker- DDR-Außenministers. Letzter Geschäftsführer der hiesigen CSG-Tochter war der Finanzexperte der Holding Muttergesellschaft, Lothar Groß. Er soll sich bei Schalck-Golodkowskis KoKo seine ersten Sporen verdient haben. Vertreter war Holger Witzel, Major bei der NVA und in der Stasi-Abteilung für Personenschutz zuständig. Als Hauptbeschaffer für Firmenaufträge, sowohl für die Holding als auch für die Berliner Firma, fungierte der frühere Polit-Offizier und ebenfalls Stasi-belastete Ditmar Rohde.

„Sicherheitspolitisch war das alles hoch bedenklich“, bilanziert ÖTV-Sekretär Wahl. Er will nicht ausschließen, daß Ex-Top-Stasi- Leute Einsicht in brisante Firmenunterlagen genommen haben könnten, denn Rohde hat die Wachmannschaften requiriert. „Das muß der Staatschutz prüfen“, fordert er. Nach Auskunft der (durchweg aus dem Westen kommenden) CSG-Betriebsräte und ÖTV-Vertrauensleute bewachte die „Stasi-Firma“ Unternehmen wie Daimler Benz, die Deutsche und Dresdner Bank, die Allianz- Versicherung, aber auch das atomare Foschungsinstitut Hahn- Meitner. Weil der Wachschutz theoretisch Zugang zu Firmencomputern gehabt haben könnte, sei „Betriebsspionage“ nicht auszuschließen. Auch die Stadt Berlin sei „möglicherweise jetzt erpreßbar“, denn unter Rohdes Leitung seien neben dem Hahn-Meitner- Institut auch andere Landes- und Bundesbehörden bewacht worden. Obendrein hätten Rohdes Leute Geldtransporter schützen müssen, „eine wunderbare Gelegenheit für alle möglichen Varianten von Geldwäscherei“.

„Natürlich können wir die Vorwürfe nicht beweisen“, sagen Jörg Gneidig, Wilhelm Göhle und Wilfried Barge, alles Wachschutzmänner mit jahrelanger Berufserfahrung. Aber mit ein bißchen Hackerqualitäten sei das jedem, der in einem sicherheitsempfindlichen Bereich eingesetzt war, möglich. „Und wir sitzen hier seit Tagen vor den CSG-Computern“, schimpft Gneidig, „und die Polizei kommt nicht.“ Der ÖTV-Sekretär befürchtet, daß ein ganzer Berufsstand ins Zwielicht kommen könnte, wenn nicht nachgeprüft werde, was in den vernichteten Akten stand. „Die Mehrheit der Wachleute sind sauber“, sagt er, „aber eben nicht der Kopf, der stinkt.“

Oberkopf Fischer ist übrigens mitsamt der Firmenkasse verschwunden. Seit November erhielten die etwa 800 Mitarbeiter der CSG-Holding und der Berliner Teilgesellschaft nur Lohnabschlagszahlungen. Im Durchschnitt wurde jeder Mitarbeiter um 5.000 bis 6.000 Mark betrogen, einige gar um bis zu 20.000, erzählen die Betriebsräte.

„Stasi-Mann“ Rohde hat nach Angaben der Betriebsräte zusammen mit „Stasi-Mann Witzel“ eine neue Wachschutzfirma namens FEMOS gegründet. Die akquiriere derzeit „massiv“ Aufträge, die vordem die CSG hatte. Auch die „Stasi-Firma“ Alwas habe eine Auffanggesellschaft gegründet – die ASS, den Allgemeinen Sicherheitsservice. Anita Kugler