■ Tennis
: Dressman Becker

Mailand (dpa/taz) – Der Traum vom deutschen Halbfinale bei Mailands Tennisturnier ist vorbei. Michael Stich flog raus, aber wenigstens der Titelverteidiger Boris Becker ist noch dabei. Der Leimener mußte beim 6:3, 3:6, 6:3 gegen Amos Mansdorf (Israel) aber schwer um sein Weiterkommen kämpfen.

Zwei Tage nach dem Kraftakt gegen den Franzosen Arnaud Boetsch sahen die deutschen Fans zunächst einen ganz neuen, zeitweise schon wieder alten Becker: hellwach, mit blitzschnellen Reaktionen und gutem Auge. Der Vorjahressieger führte seinen Gegner zeitweise regelrecht vor. Doch danach kam gelegentlich auch der neue alte Becker zum Vorschein: Er machte sich das Leben mit vielen unnötigen Leichtsinnsfehlern wieder mal selbst schwer. Nach 1:53 Stunden verwandelte der Deutsche dann doch noch seinen zweiten Matchball.

Aber auch über den Sport hinaus ist er mit sich und der Welt zufrieden und sucht nach neuen Betätigungsfeldern: In Mailand verabredete er ein Engagement als Dressman für den Modedesigner Giorgio Armani. Beim Mittagessen hatte Becker die Vereinbarung mit dem Modemacher getroffen. Die Schneider haben Maß genommen. Schon bald sollen er und seine Frau (Wo bleibt Sohn Noah Gabriel?) in den noblen Stoffen fotografiert werden und in den großen Modezeitschriften erscheinen.

Im Gegensatz zu Becker verabschiedete sich der durch eine Erkältung geschwächte Weltmeister Michael Stich schon in Runde zwei. Der Elmshorner verlor mit 2:6, 7:6 (7:3), 3:6 zum zweitenmal innerhalb von sechs Wochen gegen den 55. der Weltrangliste Ronald Agenor (Haiti). Halsschmerzen und eine triefende Nase machten Michael Stich schwer zu schaffen. Sein erster Aufschlag ließ die gewohnte Durchschlagkraft vermissen, seinen Returns fehlten die Sicherheit, seine Beweglichkeit war sichtbar eingeschränkt.

Nach dem Match lehnte er Fernsehinterviews ab und ging vor der Presse hart mit sich ins Gericht. „Ich habe beschissen gespielt“, sagte er und wollte auch die starke Erkältung, die ihn sichtlich behindert hatte, nicht als Entschuldigung gelten lassen. „Ich will nächste Woche meinen Titel in Stuttgart unbedingt verteidigen. Aber wenn ich so spiele, überstehe ich nicht einmal die erste Runde“, stellte er verbittert fest. Die italienische Sportzeitung Gazetta dello Sport kommentierte seinen Auftritt gegen den Haitianer drastisch: „Agenor fegte Stich vom Himmel Mailands. Stich ist nur noch ein entfernter Verwandter des Spielers, der 1993 das Masters und den Davis-Cup gewonnen und das Finale von München erreicht hat.“

Karsten Braasch ist derweil beim Turnier in Memphis in Topform. Er schlug den an Nummer drei gesetzten Amerikaner Michael Chang im Achtelfinale nach einer ausgezeichneten Leistung mit 6:4, 6:3. „Ich riskiere viel, und viel klappt“, sagte Braasch nach seinem überzeugenden Sieg.

Mailand, Achtelfinale: Ronald Agenor (Haiti) - Michael Stich (Elmshorn) 6:2, 6:7 (3:7), 6:3; Wally Masur (Australien) - Nicklas Kulti (Schweden) 6:3, 6:2; Cedric Pioline (Frankreich) - Alberto Berasategui (Spanien) 6:4, 4:6, 6:2; Boris Becker (Leimen) - Amos Mansdorf (Israel) 6:3, 3:6, 6:3; Petr Korda (Tschechien) - Thomas Hogstedt (Schweden) 7:5, 6:2; Goran Ivanisevic (Kroatien) - Jan Stoltenberg (Australien) 6:3, 6:2; Karel Novacek (Tschechien) - Henri Leconte (Frankreich) 7:5, 3:6, 7:6 (7:2); Sergi Bruguera (Spanien) - Jan Siemerink (Niederlande) 6:4, 6:4