Keine Lösung in Sicht

■ Gespräch mit dem Friedensforscher Vicenc Fisas Armengol aus Barcelona über die Entsendung spanischer Truppen nach Bosnien und die innerpolitischen Reaktionen

taz: Im Gegensatz zur Beteiligung spanischer Soldaten im Krieg gegen den Irak scheint es nun, bei den Einsätzen von spanischen Blauhelmen im ehemaligen Jugoslawien, keine nennenswerte Opposition im Land zu geben. Wie kommt das?

Vicenc Fisas Armengol: Es ist wahr, daß es keinen organisierten Widerstand gibt wie damals beim Irakkrieg, aber es gibt eine breite soziale Unterstützung für die Flüchtlinge; auch erfahren Deserteure ansehnliche Hilfe. Es gibt also eine sehr breite Reaktion, die sich jedoch nicht auf die politische Ebene umsetzt.

Der Unterschied zum Krieg am Golf ist, daß es damals eine ganz klare Intervention zugunsten einer der Konfliktparteien gab und Spanien logistische Unterstützung für Bombardements etc. lieferte. Zudem gab es damals eine Reihe Alternativvorschläge zur Lösung des Konflikts als solchem.

Jetzt befinden wir uns vor einer ganz andersartigen, sehr komplexen Auseinandersetzung, man weiß nicht, welche Art nichtmilitärischer Konfliktlösung noch möglich ist. Es gibt noch nicht einmal auf der politischen Ebene Einigkeit, um politische oder militärische Aktionen durchzuführen. Das aber macht es andererseits auch der zivilen Gesellschaft, den sozialen Bewegungen und insbesondere der Friedensbewegung schwer, auf politischer Ebene eine Antwort zu finden.

Sie beschränken sich also darauf, auf sozialer Ebene aktiv zu werden, indem sie Unterstützernetze schaffen, mit Leuten und Gruppen, die in der Region des ehemaligen Jugoslawien aktiv sind.

Das Problem ist also der Mangel an klaren Lösungsvorstellungen?

Genau. Niemand hat eine angemessene Antwort, die realisierbar wäre als Alternative zur jetzigen Situation. Das heißt, wir laufen den Ereignissen hinterher und schaffen zwar Solidarität, aber nur als Reaktion auf die Folgen des Konflikts. Andererseits gibt es keinen Konsens bezüglich einer Rechtfertigung für eine militärische Intervention, selbst wenn diese sehr selektiv wäre. Auch deshalb schlägt die Friedensbewegung allgemein eine solche Intervention nicht vor.

Es gibt aber auch keine großen Diskussionen zu dem Thema...

Es besteht viel Angst vor einer Diskussion über diesen Aspekt. Andererseits ist auch die soziale Mobilisierung nicht ausreichend dafür.

Wieso eigentlich nicht? Damals protestierten vor allem die Mütter. Heute nicht. Aber auch heute ist ein toter Sohn ein toter Sohn...

Der große Unterschied ist, daß im Golfkrieg Soldaten teilnahmen, die zwar freiwillig hingingen, aber keine Berufssoldaten waren. Das ist jetzt nicht so. Die Blauhelme, die dorthin geschickt werden, sind alles Berufssoldaten aus Elite-Einheiten. Darüber hinaus hat die Funktion des Blauhelms ein anderes Image.

Das Ziel eines Blauhelm-Soldaten, der nach Jugoslawien geht, besteht darin, das Ankommen der humanitären Hilfe zu gewährleisten – ich sage nicht, daß das gelingt, aber darin besteht das Ziel. Das ist natürlich eine ganz andere Aufgabenstellung als im Golfkrieg, als die Soldaten einen massiven klassischen Angriff der Koalition unterstützen sollten.

Rechtfertigen Sie selbst die Entsendung von Blauhelmen nach Bosnien?

Die Blauhelme sind nicht dafür vorbereitet und ausgerüstet, ihre Aufgabe wirklich wahrzunehmen. Die Vorgaben der UNO sind auch in diesem Konflikt nicht klar genug. Deshalb spielen sie eine sehr bedauerliche Rolle. Sie sind einfach Beobachter einer dramatischen Situation.

Ich meine, daß die Blauhelme eine andere Rolle spielen, eine andere Zusammensetzung haben, anders vorbereitet und viel aktiver sein sollten.

Aber die Monate sind verstrichen, und das wurde nicht umgesetzt. Weder die Blauhelme noch die nationalen europäischen Truppen sind in der Lage gewesen, so etwas Elementares wie die Bombardierung von Dubrovnik zu verhindern – das hätte man durch eine Seeblockade ohne weiteres machen können.

Jetzt sind wir in einer viel komplizierteren Situation, in der jede militärische Lösung immer eine schlechte Lösung sein wird.

Doch eigentlich sollten Blauhelme dort eingreifen?

Sie hätten darauf vorbereitet werden müssen. Nicht in der jetzigen Zusammensetzung, in der es nationale Truppen sind, die nicht dafür ausgebildet sind, Blauhelme zu sein. Die Blauhelme werden deshalb immer diese Widersprüche in sich haben, solange sie nicht wirklich Truppen der UNO und darauf trainiert sind.

Das Gespräch führte Antje Bauer, Madrid