„Konsequent abschieben!“

Innenminister Kanther stellt in Wiesbaden sein Vier-Punkte-Programm zur „Problembewältigung“ beim Asyl vor  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) – Bundesinnenminister Manfred Kanther ist – zumindest politisch – eine eher gespaltene Persönlichkeit. Auf Einladung der hessischen Landtagsfraktion seiner Partei referierte der Christdemokrat gestern im Rahmen einer Anhörung zum Thema „Das neue Asylrecht in der Praxis“, und streng genommen lief sein Plädoyer auf die Forderung nach einem Einwanderungsgesetz hinaus: „Deutschland ist keine Insel – und soll es auch nicht werden.“ Für eine Nation, die Exportweltmeister war und es wieder werden wolle, sei eine Politik der reinen Abschottung „absurd“. Das eigentliche Problem bei der Bewältigung der Zuwanderung, so der Minister im Brustton der Überzeugung und unter dem Beifall der geladenen Diskutanten aus allen Bereichen der sogenannten Ausländerpolitik, sei der „ungeregelte Zuzug“.

Doch genau den will Kanther eben nicht mit einem Einwanderungsgesetz regeln. Ein solches Gesetz qualifizierte er als eine „politisch völlig unpraktikable Chimäre“, nur ein „Zauberwort“, mit dem in der Praxis keine Probleme gelöst werden könnten. In vier Teilbereiche gliederte der Innenminister dann sein politisches Konzept für die – trotz Grundgesetzänderung in Sachen Asyl offenbar noch notwendige – „Problembewältigung“: Zum einen müsse die Ostgrenze „dicht gemacht“ und zum anderen die „Attraktivität des rechtswidrigen Verweilens in Deutschland weiter herabgesetzt“ werden. Denn trotz des seit dem 1. November 1993 vor allem in Neufünfland konsequent angewendeten Asylbewerberleistungsgesetzes, wonach statt Bargeld (fast) nur noch Sachleistungen an AsylbewerberInnen weitergegeben werden dürfen, haben die Flüchtlinge für den Geschmack des Innenministers noch immer zuviel Geld in den Taschen. Weiter setzt Kanther auf „konsequente Abschiebung“ abgelehnter AsylbewerberInnen und auf ein „burdon-sharing“ im europäischen Maßstab. So könne es nicht länger angehen, daß sich – weltweit gerechnet – etwa die Hälfte aller Bürgerkriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien in Deutschland aufhalte.

Stolz präsentierte Kanther dann seine offizielle AsylbewerberInnen-Statistik für den Januar 1994. Nur noch 13.154 Flüchtlinge haben danach im ersten Monat dieses Jahres um Asyl in Deutschland nachgesucht – 17.000 weniger als im Monat vor der Einführung des neuen Asylrechtes am 1. Juli 1993. Daß dafür immer mehr Menschen illegal und von keiner Statistik erfaßt vor allem die Ostgrenze überschreiten, wollte Kanther nicht leugnen. Doch dagegen (s.o.) soll sein Vier-Punkte-Programm das „richtige Rezept“ sein. Daß die Flüchtlingszahlen „drastisch zurückgegangen“ seien, behauptete nach Kanther auch die Bundesministerin für Familie und Senioren, Hannelore Rönsch (CDU). Doch Rönsch feierte dafür vor allem das neue Asylbewerberleistungsgesetz, mit dem Deutschland seine Anziehungskraft für sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge „teilweise verloren“ habe. Weil unter anderen das rot-grün regierte Bundesland Hessen dieses Sachleistungsgesetz nicht konsequent genug in die Praxis umgesetzt habe, kündigte die Ministerin eine „härtere Gangart“ der Bundesaufsicht an.

Nicht mehr allzu viel Arbeit hat nach dem Inkrafttreten der neuen Asylrechtsbestimmungen offenbar auch das „Grenzschutzkommando Mitte“ am Rhein-Main- Flughafen in Frankfurt. Der Paragraph 18a im neuen Asylrecht (Flughafenregelung), so BGS-Polizeidirektor Klaus Severin, habe dafür gesorgt, daß immer weniger Flüchtlinge über den Airport in die Bundesrepublik einreisten. Daß dafür mehr Flüchtlinge illegal über die „nicht mehr von den Diktatoren bewachte Ostgrenze“ (Kanther) kommen, weiß auch Severin. Der Praktiker forderte deshalb ein „konsequentes Vorgehen“ gegen die Schlepperbanden. „Moderne Sklavenhändler“ nannte Severin die „Schleuser“, die den „armen Flüchtlingen“ zur Zeit zwischen 2.000 und 40.000 DM für eine einzige „Schleusung“ abpressen würden.