Wohltätig ist des Feuers Macht!

■ Unser Theater von hinten (1): Ein Besuch bei den Funkenschlägern in der Schlosserei

Haben Sie eigentlich den gigantischen Kronleuchter in der hiesigen Inszenierung der Oper „Eugen Onegin“ bewundert? Oder sind Ihnen die langen Laufstege aufgefallen? Haben Sie vor allem die interessante Gelenkverschraubung gesehen? Nein? Damit leben die Theaterschlosser. „Man sieht auf der Bühne fast nie, was für Schlosserarbeit dahintersteckt“, sagen sie.

Aber ohne ihre Arbeit würden die SchauspielerInnen längst nicht so effektvoll im Boden versinken, geschweige denn von geschmiedeten Balkonen deklamieren. Die drei Schlosser des Bremer Theaters schweißen einfach alles zusammen, ob das ein filigraner Teewagen ist, das Gerüst für ein originalgroßes Pferd oder die Zargen für Podeste in verschiedensten Ausführungen.

„Und das meiste verschwindet hinter irgendwelchen Verkleidungen“, sagt Ralf Wahl, einer der drei. „Außer bei dem Bühnenbildner Wolf Münzner, der steht auf Metall.“ Ralf Wahl fühlt sich dennoch auf diesem Arbeitsplatz wohl. Anders als in der freien Wirtschaft, ist diese Arbeit voller Abwechslung, einige Tage macht er dies, andere das. Außerdem ist Improvisationsgeschick gefragt, sagt er. Besonders wenn der Kostenplan Einschränkungen vorsieht - und das kommt natürlich ziemlich oft vor.

Matthias Hermann, der Leiter der Theaterschlosserei, ist nach fünf Jahren Theaterarbeit Spezialist in kostengünstigen Alternativorschlägen: „Wenn man erkennt, daß etwas zu teuer ist, beginnt die kreative Auseinandersetzung: Wie kann man so sparen, daß das Ästhetische dennoch nicht vernachlässigt wird?“

Ein Beispiel dafür findet sich im Concordia-Theater. Dort sollten sich Eisenstangen mit Beleuchtung dran nach oben drehen. Um es billig zu machen, hat Matthias Hermann einfach ein Gummiseil von passender Dicke in die hohlen Stangen gesteckt. Daran lassen sich nun die zehn Meter langen Stangen problemlos herumdrehen. „Aus Scheiße Rosinen machen, das ist so ein Spruch unter Handwerkern“, lacht er.

Zur Bauprobe liefern die Bühnenbildner schon mal maßstabsgerecht ihre Ideen an. Dann ist es an Hermann, das alles der Sicht des Schlossers zu beurteilen, um zu sehen , wie er „die Technik in den Dienst der Kunst stellen“ kann. Beim späteren Werkstattgespräch entstehen dann die ersten Zeichnungen. Darauf sieht man jedoch meist nur die Oberflächen, das spätere Drumherum. Wie die Dinge von innen her konstruiert werden könnten, das ist dann die Sache der Tüftler. Gut, daß die Wege im theater kurz sind; so paßt am Ende doch immer alles zusammen.

Matthias Hermann hat erst Kunstschmied gelernt und dann seinen Schlosser- und Schmiedemeister gemacht. Ehe er zum Theater ging, hat er verschiedene Restaurationsarbeiten in Kirchen und Museen übernommen. Da war sein Wirken stets auf Langlebigkeit ausgerichtet. Im Theater ist es nun natürlich gänzlich anders. „Hier wird alles nur für einen kurzen Augenblick geschaffen.“

Doch die Theatergänger lieben bekanntlich gerade diese vergänglichen Augenblicke, und dem Schlossermeister ergeht es nicht anders. Auch Hermann schaut sich alle Stücke an, und er freut sich , wenn sie Erfolg haben, auch wenn seine Scharniere und Zargen überhaupt nicht zu sehen sind.

Vivianne Agena