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Gewehre sprechen, Film schweigt

■ Aufklärerisch-beflissen: „Phoolan Devi – Rebellion einer Banditin“ (Panorama)

Erst läßt sie die Kerle aus ihren Häusern treiben. Dann sollen sich ihre einstigen Vergewaltiger um den Brunnen herum aufstellen. Jetzt tritt sie heran, mit dem Maschinengewehr. Der Patronengurt teilt ihre üppigen Brüste. Eine erhebliche Mischung aus „Barbarella“ und „Django“. Das Gewehr spricht, und 18 Männer sinken in den Staub.

Ein herrlicher Trashfilm, wie von Corbucci, den wir über die Köpfe der Kinobesucher hinweg beobachten. Blecherner Ton, Action, toll. Eines von mehreren indischen B-Pictures um den Mythos der Banditin Phoolan Devi. Als Angehörige einer niederen Kaste hat sie es erstmals gewagt, ihre Peiniger, allesamt der höheren Kaste angehörig, blutig zur Rechenschaft zu ziehen. Was im indischen Volk zu einer reichhaltigen Legendenbildung geführt hat. Das kaleidoskopartige (Yellow-)Press-Echo nahm die Dokumentarfilmerin Mirjam Quinte zum Anlaß einer filmischen Expedition. Was ist Mythos, was wirklich? Auf der Suche nach der Wahrheit sprach sie mit Journalisten, Regisseuren, Phoolan-Devi-Darstellerinnen, Devis Mutter – und mit der Staatsfeindin selbst, die seit über zehn Jahren in einem indischen Gefängnis auf ihren Prozeß wartet. Mirjam Quintes „wahre Geschichte der Phoolan Devi“ beginnt damit, daß die damals 11jährige aus einer materiellen Not der Familie heraus mit einem reichen Mann aus dem Nachbardorf verheiratet wird. Sie weigert sich, willfähriges Objekt zu sein, kehrt zu ihrer Familie zurück und wird durch diese Auflehnung zur Außenseiterin. Aus der Sicht indischer Tradition gilt ihre Eigenständigkeit als Zeichen der Promiskuität. Sie wird Opfer sexueller Belästigungen, die in Intrigen gipfeln. Als eine Bande ihre Familie bedroht, rettet sie das Leben ihrer Angehörigen, indem sie sich anschließt. Sie wird Geliebte des Anführers und lernt, mit dem Gewehr umzugehen. Szenen einer (wilden) Ehe aus Indien.

Nachdem ihr Anführer und Lover erschossen wird, fällt sie abermals in die Hände ihrer Peiniger und wird vergewaltigt. Mit knapper Not entkommt sie, gründet ihre eigene Bande und sinnt auf Rache. Daß diese Räuberpistole einen wahren Kern birgt, spüren wir nicht zuletzt in dem langen Gespräch mit der Devi, das im Zentrum des Films steht. Doch die Banditin ist nicht eben gesprächig: „Wie haben Sie es geschafft, daß die Männer Ihrer Bande auf Sie hörten?“ fragt die Regisseurin. „Fragen Sie die Männer“, repliziert die Devi.

Durch die Art des Nachfragens und vor allem durch den Kommentar der Filmemacherin drängt sich leider ein feministischer Gestus in den Vordergrund, dessen der Film gar nicht bedurft hätte. Die Fakten sprechen für sich. Doch die Regisseurin vertraut weder ihren Bildern noch dem spannenden Thema. Als die Devi erzählt, wie sie ihrem früheren Ehemann (ein Lump) zunächst alle Knochen brach, um ihn hinterher auf einem Esel durchs Dorf zu jagen, lächelt sie genüßlich sanft. Das ist unübersehbar und sagt mehr als der Voice-Over-Kommentar, der uns mitteilt, ihr Lächeln sei vielsagend. Und so weiter. Unnötige Dopplungen dieser Art, in denen plakativ erzählt wird, was ohnehin zu sehen ist, gibt es haufenweise.

Vollmundig ist die Regisseurin angetreten, um „unser unvollständiges Bild von den indischen Frauen zu korrigieren“. Die befürworten einerseits bedingungslos das Korsett der Tradition, das der Frau in Indien eine untergeordnete Stellung zuweist. Andererseits ranken sich farbenfrohe Legenden um jene Frau, die diese Tradition bricht. Derart paradoxe und nicht uninteressante Betrachtungen resultieren weniger aus filmischen Beobachtungen: Während wir ausgiebig Gelegenheit haben, Ochsen beim Baden zuzuschauen, knüpft ein prätentiöser, unterschwellig ethnozentristischer Off-Kommentar diejenigen Fäden zusammen, die die Dramaturgie fallengelassen hat. Deswegen ist „Phoolan Devi“ ein Film, der auf nicht eben kurzweilige Art seinen Themenbonus verspielt. Stoff fürs dritte Programm. Manfred Riepe

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