■ Der Konflikt zweier Wirtschaftsmodelle
: Japans bester Feind

Bill Clinton sprach von einer „neuen Ehrlichkeit“ und Morihiro Hosokawa von einem „sehr guten Treffen“. Dabei hatten die Regierungschefs der beiden größten Wirtschaftsmächte gerade ihren über vier Jahrzehnte lang unangetasteten Konsens über die „wichtigste bilaterale Beziehung in der Welt“ aufgekündigt. Nichts von dieser einmaligen Beziehung, in der sich die USA wie ein demokratischer Stiefvater dem kulturell fremden Nachkriegszögling Japan angenommen hatten, wird nach dem ersten ernsten Handelskonflikt zwischen Tokio und Washington bleiben, wie es war.

Vorbei die Zeit, in der Japan für Amerika in Asien nur die gleiche Funktion hatte wie die Nato in Europa. Bill Clinton definiert die nationale Sicherheit der USA auch über die Ökonomie, und hier ist Japan scheinbar der wichtigste Gegner. Die angekündigten Importsanktionen sollen selbstverständlich nicht nur den japanischen Markt öffnen, sondern amerikanische Firmen vor ihren japanischen Konkurrenten in Schutz nehmen. Als wäre Amerika immer noch der Schwächere. Die Clinton-Doktrin von der technologischen Kolonisierung Amerikas durch Japan ist längst veraltet. Japanische Experten halten die US-Autoindustrie inzwischen wieder für stärker als die heimische. Das Multimedien-Zeitalter, also die Verknüpfung von Computer, Fernsehen und Telefon, hat in den USA viel früher begonnen als in Japan. Warum also jetzt die Drohung mit dem Handelskrieg?

Weil Japan natürlich ein anderes Wirtschaftsmodell bleibt. Keine Unternehmensbilanz sagt in Japan die Wahrheit, weil die Börse vom Finanzministerium reguliert wird. Kein Unternehmensaufkauf ist in Japan ein freies Geschäft, weil das Wirtschaftsministerium Miti eine Bewilligung geben muß. Zumindest im Vergleich zu Amerika ist Japan eine Planwirtschaft. Unter den Spielregeln der Ministerialbürokratie aber können sich westliche Unternehmen auf dem japanischen Markt nur nach Jahren intensiver Anpassungsarbeit als ebenbürtige Konkurrenten behaupten. Diese Spielregeln will Bill Clinton ändern, und das ist hoffnungslos.

Nicht hoffnunglos ist das Duell der größten Wirtschaftsmächte. Es ruft die Dritten, Europäer, Asiaten und Entwicklungsländer, auf den Plan, denen die Erhaltung des Freihandels wichtiger ist als die handelspolitische Willkür der Großen. Sie werden vor allem Clinton aufs Korn nehmen.

Japan aber braucht die Drohungen aus Washington, weil das Land mit Handelsüberschüssen von annäherend 200 Milliarden Mark nirgendwo Freunde findet. Amerika mag nicht mehr der Freund Japans sein, aber es ist zweifellos Japans bester Feind. Georg Blume,Tokio