■ Die „SZ“ druckt keine Anzeigen von Gysi & Genossen
: Süddeutsche Wahlhilfe für die PDS

Obgleich der Süddeutsche Verlag in München, der die gleichnamige Zeitung herausgibt, bereits einen dreistelligen Millionenbetrag beim Privat-TV-Sender Vox in den Sand gesetzt hat, kann er es sich offenbar noch leisten, sein Anzeigengeschäft nach den Maßstäben der CSU und des bayerischen Verfassungsschutzes zu betreiben. Wie das SZ-Konkurrenzblatt Frankfurter Rundschau in Erfahrung brachte, hat die Verlagsleitung der Süddeutschen es abgelehnt, eine Anzeige der PDS zu drucken, in der zum politischen Aschermittwoch in Ingolstadt eingeladen werden sollte. „Alle oder keinen von den Extremen“, begründete der Verlagsleiter diesen Schritt. Es sei nicht zu vermitteln, wenn Anzeigen der Republikaner abgelehnt, aber die der PDS angenommen würden. Rot gleich braun.

Zeitungen sind Unternehmen, die Informationen an ihre Leserschaft verkaufen, um letztere an die Werbewirtschaft zu verkaufen. Hinter der Entscheidung, unabhängig vom Inhalt generell keine Anzeigen der PDS zu veröffentlichen, mag die kühle – und durchaus berechtigte – wirtschaftliche Überlegung stehen, daß dem Blatt konservative Leser verlorengehen könnten. Interessanter ist denn auch die Tatsache, daß die Boykottentscheidung in Abstimmung mit Volker Schröder, dem Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, erfolgt ist. Schröder, dem ein kurzer Draht zu Helmut Kohl nachgesagt wird und dessen verdruckstes Plädoyer für Heitmann als Bundespräsident letzlich doch erfolglos blieb, steht mit den leitenden Redakteuren Jürgen Busche und Joe Joffe für den allmählichen und schleichenden Wandel der Süddeutschen von einem linksliberalen zu einem rechtsliberalen Blatt.

Es ist anzunehmen, daß die SZ auch in ihrem redaktionellen Teil einen Boykott gegen die vermeintlichen PDS-Extremisten vollziehen wird. Dies wäre in Tat und Wahrheit eine deutliche Absage an die liberalitas bavariae, für welche die SZ über Jahrzehnte Zeugnis abgelegt hat.

Man mag über die PDS denken, was man will. Als Faktum bleibt, daß sie nicht als verfassungsfeindlich verboten ist und in weiten Teilen der ehemaligen DDR mehr Wählerzuspruch findet als die Bonner Regierungsparteien. Ein Boykott verschafft der PDS die Sympathien derjenigen, die in ihr einen David sehen, der tapfer gegen die geballte und verfilzte Macht der etablierten Parteien und Medien für die Entrechteten im neuen Deutschland ficht. Allein der Anzeigenboykott der SZ hat der PDS mehr Publizität in Gestalt von Artikeln verschafft, als sie mit Anzeigen hätte erreichen können. Für Gregor Gysi & Genossen ist er eine optimale Wahlkampfhilfe. Michael Sontheimer