ANC zwischen eigener Basis und Privatwirtschaft

■ Nelson Mandela präsentiert sich als Präsidentschaftskandidat einer politischen Partei, die manchmal lieber eine nationale Bewegung bleiben möchte

Südafrikas Wahlen, darüber gibt es keine Diskussionen, sind bereits gelaufen. Der ANC wird eine große Mehrheit erreichen, die noch regierende Nationale Partei den zweiten Platz belegen. Eine Befreiungswahl mit Nelson Mandela als Befreier.

Der bald 77jährige Präsidentschaftskandidat des ANC kann sich vor historischen Ereignissen in diesen Tagen kaum retten – und manchmal hat er offensichtlich von den historischen Veränderungen genug, die mit Südafrikas Demokratisierung einhergehen. „Der ANC bleibt weiter eine breite nationale Bewegung“, verkündete er vor den Toren der Wahlkommission, wenige Minuten, nachdem er einen Scheck über umgerechnet 35.000 Mark hinterlegt hatte, um den ANC für die ersten demokratischen Wahlen Südafrikas zu registrieren. Damit ist der ANC eine politische Partei unter anderen, die sich überlegen muß, wessen Interessen sie vertritt.

Das könnte schwierig werden. Mandela verbrachte seine Weihnachtsferien, wie sich später herausstellte, in einer Villa des irischen Zeitungs-Tycoons Tony O'Reilly auf den Bahamas. In der letzten Woche kaufte just dieser O'Reilly in Südafrika das Zeitungsimperium des Argus-Verlags – mit stillschweigendem Einverständnis des ANC und unter Protesten der Journalistengewerkschaft. Argus beherrscht neben Times Media den südafrikanischen Zeitungsmarkt völlig. Solange die beiden Medienkonzerne nicht entflochten werden, so argumentieren Gewerkschaftler, gebe es keine Garantie für eine unabhängige Presse. Doch nicht nur an diesem Beispiel wird deutlich, wie schnell der ANC von Grundsätzen abrückt, wenn sie beim Seiltanz zwischen der Basis und Südafrikas Privatwirtschaft das Gleichgewicht bedrohen.

So steht im Wahlprogramm des ANC, die Rechte zur Ausbeutung von Mineralien in Südafrika sollten an den Staat übergehen: In „normalen“ Ländern wie Australien eine Selbstverständlichkeit, für die Gewerkschaften Grund zur Freude – und für Südafrikas Bergwerksgesellschaften Anlaß, Zeter und Mordio zu schreien. Inzwischen beruhigte die ANC-Führung die Minenbosse mit der Versicherung, daß die Regierung auch in Zukunft Konzessionen an die Minenhäuser vergeben würde. An der ANC-Basis wachsen daher die Bedenken. Am Wochenende trafen sich in Bloemfontein Hunderte von Landkomitees erstmals zu einer nationalen Konferenz, um ihrer Forderung nach einer Landreform Nachdruck zu verleihen. Bei den Demokratieverhandlungen hatten sich ANC und Regierung geeinigt, daß Südafrikas Schwarzen Entschädigung oder die Rückgabe von Land zusteht, das ihnen in der Zeit der Apartheid weggenommen wurde. Die jetzigen Besitzer sollen aber mit dem bestehenden Marktwert entschädigt werden. Ein Sprecher der Landkomitees: „Das bedeutet, daß es entweder kein Geld geben wird oder der Streit über Entschädigungen und Landrückerstattungen den ganzen Prozeß verschleppen werden.“

Bei den Weißen wächst zwar nicht zuletzt dank des Wahlkampfs von de Klerk die Vorstellung, die Kommunisten im ANC würden in der Zukunft die Patenrolle spielen, die einst der geheime „Broederbond“ für die Nationalpartei innehatte. Aber Äußerungen von Figuren wie Joe Slovo, Führer der Kommunistischen Partei (SACP), der mit Vorliebe im Finanzblatt Business Day sozialdemokratische Ideen verbreitet, deuten eher aufs Gegenteil. So dürfte die Mehrheit der zukünftigen ANC-Parlamentsabgeordneten radikaler sein als die ANC-Führer, die regieren werden. Gewerkschaften und KP haben bei der Vergabe der Listenplätze einen guten Teil ihrer Kandidaten durchgesetzt. Allerdings hat diese Balance den Vorteil, daß dem ANC linke Anhänger erhalten bleiben könnten. Die Gefahr, diese zu verlieren, ist groß: 31 Prozent der ANC-Wähler geben den linksradikalen „Pan Africanist Congress“ (PAC) als zweite Wahl an.